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Craniomandibuläre Dysfunktion (CMD): Mit Kopfschmerzen zum Zahnarzt

Der Fachbegriff „craniomandibuläre Dysfunktion“ (CMD) bedeutet übersetzt etwa „Fehlfunktion im Zusammenspiel zwischen Schädel und Unterkiefer“.


Diese kann starke Schmerzen auslösen. Beteiligt sind dabei Zähne, Kiefergelenke und Kaumuskulatur mit Ausstrahlung in den Kopf, die Nacken- oder Schulterregion. Auch die umgekehrte Verlaufsform ist häufig. Mehr als 10 Prozent der Bevölkerung hat im Laufe seines Lebens eine CMD kennengelernt.

Unsere Zähne sind kleine aufeinander abgestimmte Kauwerkzeuge. Sie führen, stützen und schützen die Kiefergelenke und zerkleinern die Nahrung in faszinierender Kleinarbeit. Dabei entstehen Kräfte. Für die Zerkleinerung eines Cheeseburgers reicht dabei die Kraft von einem halben Kilogramm. Eine Walnuss benötigt etwa 60mal mehr– ca. 30 Kilogramm.

Schädlich sind übermäßige Beanspruchungen: Mit unvorstellbar großen Kräften reiben, pressen oder knirschen viele Menschen – nachts, aber auch tagsüber – mit den Zähnen. Höchstwerte mit mehr als dem Zehnfachen als beim Zerkauen einer Walnuss sind dabei keine Seltenheit. Es wurden sogar schon Spitzenwerte mit der unvorstellbaren Kraft von 1500 Kilogramm, also von eineinhalb Tonnen gemessen.

Durch den vermehrten Abrieb werden die Zähne kürzer, besonders die Eck- und Schneidezähne, und sie können schmerzempfindlich werden. Auch die Kaumuskulatur nimmt durch das unterwusste „Bodybuilding“ sichtbar an Masse zu. Im Extremfall geht die auf das Kiefergelenk passende Bisshöhe verloren. Auch hier interpretiert der Volksmund: Man sieht „verbissen“ aus.

Die nächtliche Knirscharbeit stört obendrein den entspannten Schlaf und kann zu Kopfschmerzen besonders in der Schläfenregion führen. Manchmal sind diese so stark, dass sie mit einer Migräne verwechselt werden.

 

Bleibende Veränderungen durch Überbeanspruchung

Das Kiefergelenk antwortet auf die Überbeanspruchung mit meist bleibenden Veränderungen, die man als Knackgeräusche oder später auch als leise Reibegeräusche wahrnehmen kann. Gelenkknacken ist nicht selten: Fast jeder zweite lernt es im Laufe des Lebens kennen und meist hat es auch keine weiteren Auswirkungen – Knacken als alleiniges Symptom ist also nicht immer krankhaft.

Schon kleinste Abweichungen in der Stellung der Kiefergelenke zueinander können weitreichendere Auswirkungen haben. So wie zwei unterschiedliche Beinlängen allmählich zu Hüfterkrankungen führen können, kann ein fehlerhaftes Zusammenspiel der Kauflächen die gesamte Kopf-, Schulter- Nacken- und sogar Rückenregion in Unordnung bringen. Am Ende reagiert der Körper mit Verspannungen und Schmerzen – sogar Haltungsschäden können entstehen.

Weiterhin können diese Kräfte die Zähne lockern, besonders bei Vorschädigung durch Parodontitis. Durch die veränderte Lage der Gelenke zueinander können Ohrenschmerzen oder sogar Tinnitus, das ist ein dauerhaftes unangenehmes Begleitgeräusch in den Ohren, verursacht werden. Auch die Bewegung des Kiefers kann eingeschränkt oder schmerzhaft sein.

 

Was die Seele nicht verarbeiten kann, muss der Körper leisten

Vermehrter Stress in Schule, Beruf, in der Freizeit und der Familie ist oft mit die Ursache. Der Volksmund kennt das: „Man muss die Zähne fest zusammenbeißen“, „man muss sich durchbeißen“ oder „man hat Biss“. Auch Kinder knirschen zunehmend. Außerdem können Fehlbelastungen der Zähne, z.B. wegen übergroßer Füllungen, vorzeitigem Zahnverlust oder Halswirbelsäulenschäden diese Angewohnheit auslösen.

 

Am Anfang steht die Diagnose

Der Zahnarzt kann CMD diagnostizieren und meist erfolgreich behandeln. Zuerst untersucht er alle am Kaugeschehen beteiligten Muskeln bis hinunter zur Halsregion auf fühlbare Überlastungen. Das Kiefergelenk wird in seiner Bewegungsfreiheit bewertet und alle Berührkontakte auf den Zähnen überprüft. Dies nennt sich „klinische Funktionsanalyse“.

Weitergehend ist die „manuelle Strukturanalyse“, bei der zusätzlich die Muskulatur in Belastungssituationen bewertet wird. Auch Kiefermodelle aus Gips können so in einen Artikulator – eine Art Gelenksimulator – eingestellt werden, wie es der individuellen Situation entspricht (instrumentelle Funktionsanalyse). Somit können auch ansonsten versteckte Ursachen der Erkrankung aufgedeckt werden, zum Beispiel auch Lageveränderungen der zwischen den Gelenken liegenden Knorpelscheibe. Diese sind auch auf einem MRT (Magnetresonaztomograph) darstellbar.

Ziel dieser Untersuchungen ist es, die Ursache der Überlastung aufzuspüren, um diese dann gezielt auszusondern. Auch orthopädische Befunde, so zum Beispiel Haltungsschäden und Wirbelsäulenleiden, können die Ursache sein. Deshalb überprüft der Zahnarzt seinen Zuständigkeitsbereich und koordiniert seine Therapie mit Ärzten anderer Fachrichtungen, z.B. dem Orthopäden.

In ausgeprägten Krankheitsbildern begleiten physiotherapeutische Maßnahmen die Gesamtbehandlung. Dabei kann ein speziell geschulter Krankengymnast die zahnärztliche Behandlung gezielt begleiten. Wenn Körper und Seele das Beschwerdebild verflechten, kann eine psychosomatische Behandlung helfen.

 

Kunststoffschiene als bewährte Therapiemaßnahme

Der Zahnarzt setzt in seiner Therapie oft transparente Kunststoffschienen ein. Die sollen vorwiegend nachts getragen werden, um eingefahrene Reflexe zu unterbrechen und / oder den Unterkiefer in die gewünschte Position zu führen. Dabei kommt es im Idealfall zu einer Wiedergewöhnung an eine natürliche Bisslage und man hat zusätzlich einen wirksamen Schutz vor weiterem Abrieb. Außerdem nimmt man mit der Schiene dem Unterbewusstsein die „Lust“ am Knirschen.

Manchmal helfen gezielte Einschleifmaßnahmen an den Zähnen, um die Kaulast wieder gleichmäßig zu verteilen, sodass die Kaumuskulatur ein neues Gleichgewicht findet und zusätzlich benachbarte Muskelgruppen entlastet werden. Diese neu erworbene Harmonie bewirkt also eine Entspannung der gesamten Kopf-Schulter-Region. Dabei ist es oft hilfreich, dies vorab mit in den Artikulator eingesetzten Gipsmodellen zu simulieren, um so das Ergebnis planbar zu machen. Abgenutzte Kauflächen können wiederhergestellt werden, manchmal genügt das Aufkleben von künstlichen Keramikaufbauten auf heruntergekauten Eckzähnen. Zusätzlich kann man sich selbst dazu erziehen, das ständige Berühren der Zähne wenigstens tagsüber zu vermeiden.

Tipp: Stellen Sie an Orten, wo bei Ihnen Stress besonders häufig eintritt, Ihr persönliches Warnschild auf, z.B. ein Klebepunkt aus dem Schreibwarengeschäft mit der Botschaft: „Zähne auseinander!“

Dr. med. dent. Jürgen Zitzen


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Kontakt

Patientenberatungsstelle

Patientenberatungsstelle der Zahnärztekammer Nordrhein

02131 / 53119 280

Telefon-Hotline für Patienten montags von 12.00 bis 15.00 Uhr und donnerstags von 09.00 bis 12.00 Uhr, an jedem 2. Mittwoch im Monat auch 15.00 bis 17.00 Uhr.

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