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Parodontitis: Entstehung und Behandlung

Die Parodontitis ist eine Entzündung des Zahnhalteapparates und entsteht meist erst nach dem 30. Lebensjahr.


Unbehandelt führt sie dann später oft zum Zahnverlust. Das tatsächliche Geschehen ist ein komplizierter, krankhafter Vorgang und lässt sich vereinfacht so beschreiben:

Der Speichel wird mit Bakterien besiedelt, sobald er die Speicheldrüsen verlässt. 60 Millionen Bakterien pro Milliliter Speichel sind normal. Gesundes Zahnfleisch bildet eine dichte Manschette, so dass diese Bakterien nicht direkt in die Blutbahn gelangen können. Bilden sich feste Beläge auf den Zähnen, besonders am Zahnfleischrand, so setzen sich einige dieser Mundbakterien in diesen Belägen fest.

Und hier beginnt der Körper, sich zu wehren: Das Immunsystem wird aktiviert, das Zahnfleisch schwillt leicht an, blutet etwas bei Berührung, und die Farbe wechselt von blassrosa zu rot. Dies ist noch keine Parodontitis, sondern eine noch relativ harmlose Zahnfleischentzündung (Gingivitis). Der bakterielle Angriff auf den Körper wird durch das Immunsystem in Schach gehalten, es besteht also noch ein gewisses Gleichgewicht zwischen Angriff und Abwehr.

Die Behandlung ist in diesem Stadium relativ einfach: Werden die fest in den Belägen organisierten Bakterien durch zahnärztliche Betreuung entfernt (professionelle Zahnreinigung) und verhindert der Patient durch gezielte Pflege die Neubesiedelung, ist der alte Zustand wieder erreicht: Die Schwellung geht zurück, es blutet nicht mehr, und die Farbe ist wieder die Alte. Es ist auch kein Knochen verloren gegangen, denn der wurde erst gar nicht betroffen.

Erst wenn das Gleichgewicht zwischen Angriff und Abwehr dauerhaft gestört ist, entsteht die Parodontitis. Will heißen: Die Immunabwehr reicht nicht mehr aus, weil entweder zu viele oder zu aggressive Bakterien in den Belägen sind, oder das Immunsystem ist wegen einer zeitweisen oder dauerhaften Überforderung des Körpers geschwächt. Dann reicht die Abwehr nicht mehr aus, die Bakterien können den Zahnhalteapparat mit dem umliegenden Knochen ungebremst besiedeln. Ab dann befindet sich der Körper im „Alarmzustand“, um den Schaden zu begrenzen.

So wie man mit einem kleinen Streichholz letztlich einen Waldbrand entfachen kann, falls das Feuer nicht rechtzeitig zu löschen ist, versucht der Körper, die Entzündung zu „löschen“. Kleine „Opfer“ nimmt er dabei in Kauf. Der infizierte Knochen wird dauerhaft abgestoßen und in seine Grundbestandteile zerlegt. Übrig gebliebene Kristalle bilden sich auf den jetzt freiliegenden Zahnhälsen zu hartnäckig klebenden Konkrementen, auf denen weitere Bakterien einen idealen Lebensraum finden. Die Zähne werden allmählich „länger“ und es entsteht eine dauerhafte Wunde, solange die Ursache der Entzündung nicht beseitigt ist.

 

Behandlung

Eine Behandlung ist nun dringend erforderlich. Früher haben Zahnärzte die taschenförmigen Wunden einfach weggeschnitten. Heute ist das Ziel der Behandlung weniger eingreifend, weil die Forschung die Ursachen der Erkrankung weitestgehend erkannt hat. Bleibt man dabei, sich die Tasche als Wunde vorzustellen, ist es naheliegend, die Parodontitisbehandlung ähnlich wie eine Wundreinigung zu organisieren.

Niemand käme auf die Idee, eine großflächige Wunde mit einer Drahtbürste zu reinigen. So auch bei der Parodontitis: Die Zahnfleischtasche wird mehrfach sanft gereinigt – immer so wenig, dass die Wunde langsam kleiner werden kann und nicht zu fest, damit die Wunde nicht aufreißt. Mehrmalige Professionelle Zahnreinigungen in Folge sollen den Schaden eindämmen.

Danach misst der Zahnarzt die Taschentiefen und beurteilt den bisherigen Erfolg. Manchmal ist keine weitergehende Behandlung nötig, manchmal doch. Die typische Parodontitisbehandlung setzt heute erst danach ein: Unter Betäubung werden verbleibende Konkremente entfernt, die freiliegende Wurzeloberfläche wird geglättet, eventuell werden oberflächlich gelegene Entzündungen ausgeschält.

Operative Maßnahmen, falls sie überhaupt noch nötig sind, finden erst zu einem späteren Zeitpunkt statt. Dabei können auch Knochenersatzmaterialien oder spezielle Proteine, die teilweise neuen Wurzelzement bilden können, verwendet werden.

 

Nachsorge

Ein Parodontitispatient benötigt ein Leben lang regelmäßige Nachsorge. Denn die neu entstandene Zahnfleischoberfläche bleibt anfällig für Neuerkrankungen. Professionelle Zahnreinigungen sind in kürzeren Abständen erforderlich als bei Patienten, die lediglich eine oberflächliche Zahnfleischentzündung entwickelt hatten.

Wenige Patienten entwickeln eine Parodontitis schon sehr früh, einige schon im jugendlichen Alter. Meist sind seltenere aggressive Bakterien dafür verantwortlich, manchmal auch ein generell geschwächtes Immunsystem. Auch genetische Faktoren spielen eine Rolle.

 

Schwangerschaft und Allgemeinerkrankungen

In der Schwangerschaft ist die Parodontitis häufiger anzutreffen. Der Grund ist das reduzierte Immunsystem, das deshalb nicht auf Hochtour läuft, um das ungeborene Leben nicht zu schädigen. Nun reicht eine relativ kleine Bakterienzahl aus, um Parodontitis entstehen zu lassen. Der Zahnarzt kann aber nur die bakterielle Seite des Gleichgewichtes Immunangriff/-abwehr beeinflussen.

Deshalb sind professionelle Zahnreinigungen in der Schwangerschaft häufiger notwendig, um so das Gleichgewicht wieder herzustellen. Ähnlich bei Diabetes und Rauchern: Die kleinen Blutverästelungen am Zahnfleischsaum sind geschädigt und nur wenige weiße Blutkörperchen können an den Ort des Geschehens gelangen. Das Immunsystem kann deshalb nur teilweise Wirkung zeigen.

 

Warum kann Parodontitis Allgemeinerkrankungen verursachen?

Addiert man bei einer ausgeprägten Parodontitis alle Wundflächen, erhält man manchmal die Größe einer ganzen Handfläche. Deswegen verdreifacht sich das Herzkreislauferkrankungsrisiko (Arteriosklerose, Herzmuskelentzündungen und Infarkte), eine Diabeteserkrankung kann entgleisen, Atemwegserkrankungen können ausgelöst oder verschlimmert werden und das Risiko einer Schwangeren, eine Frühgeburt zu erleiden, versiebenfacht sich.

 Dr. med. dent. Jürgen Zitzen


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Kontakt

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Patientenberatungsstelle der Zahnärztekammer Nordrhein

02131 / 53119 280

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