Bürokratie raubt Behandlungszeit. Um diese zentralen Forderungen geht es:
Status quo:
Gesetzliche und untergesetzliche Normen und Vorgaben bedeuten für Zahnärztinnen und Zahnärzte sowie die Praxismitarbeitenden eine inzwischen nicht mehr überschaubare Menge an Informations- und Dokumentationspflichten.
Forderung:
Die Zahnärztekammer Nordrhein und die Kassenzahnärztliche Vereinigung Nordrhein fordern eine konsequente Einführung der one-in-two-out-Regelung.
Begründung:
Die benötigte Zeit für Dokumentations- und Informationspflichten fehlt zur Behandlung der Patienten, hält gründungswillige Zahnärztinnen und Zahnärzte von der Niederlassung ab und verschärft den sich zuspitzenden Fachkräftemangel zusätzlich.
Status quo:
Fortlaufend werden immer mehr Informations-, Dokumentations- und Verwaltungsvorschriften eingeführt, mit dem Ziel die Patientensicherheit zu erhöhen.
Dabei sind diese schnell eingeführt, ohne dass zuvor eine Prüfung erfolgt, ob die Patientensicherheit tatsächlich gefährdet und beabsichtigte Maßnahmen und Vorgaben wirklich geeignet sind, diese zu erhöhen.
Einmal eingeführte Dokumentations-, Informations- und Verwaltungsvorschriften bestehen in der Regel dauerhaft fort, ohne dass eine Überprüfung und Evaluation stattfinden, ob diese signifikant und nachhaltig zur Erhöhung der Patientensicherheit beitragen.
Forderung:
Eine Einführung neuer verbindlicher Dokumentations-, Informations- und Verwaltungsvorschriften durch den Gesetz- und Ordnungsgeber hat nur nach positiver Risikoanalyse und erfolgreicher Nutzenbewertung für die Patientensicherheit zu erfolgen. Damit dürfen neue Vorgaben nur dann eingeführt werden, wenn die Risikoanalyse eine wissenschaftlich evidenzbasierte Patientengefährdung attestiert und die Nutzenbewertung einer neu einzuführenden Vorschrift einen beträchtlichen Zusatznutzen für die Patientensicherheit belegt.
Alle bestehenden Informations-, Dokumentations- und Verwaltungsvorschriften gehören auf den Prüfstand. Für sie hat eine Risikoanalyse und Nutzenbewertung zu erfolgen. Fällt die Risikoanalyse negativ aus oder ist ein erheblicher Zusatznutzen bestehenden Vorschriften nicht belegt, sind die Informations-, Dokumentations- und Verwaltungsvorschriften abzuschaffen.
Die Kosten hierfür sind jeweils durch den Gesetzgeber zu tragen.
Begründung
Durch eine konsequente Überprüfung bestehender und neuer Dokumentations-, Informations- und Verwaltungsvorschriften erfolgt eine Reduzierung der Vorgaben auf relevante, die Patientensicherheit tatsächlich erhöhende Maßnahmen.
Status quo:
Derzeit gibt es drei unterschiedliche Begehungen:
Die einzelnen Begehungen belasten die Abläufe in den Praxen massiv, meistens schließen die Praxisbetreiber die Praxen an diesen Tagen. Teilweise gibt es inhaltliche Überschneidungen bei den unterschiedlichen Begehungen.
Durch unterschiedliche Interpretationen der Vorgaben durch die einzelnen Behörden, die unterschiedlichen Ausbildungen der jeweiligen Begeher/innen und den immer vorhandenen Ermessensspielraum kommt es oftmals zu unterschiedlichen Bewertungen bestimmter Abläufe in den Praxen.
Durch die Verortung in unterschiedlichen Behörden bzw. Dezernaten gibt es darüber hinaus keine (z.B. terminliche) Koordination der Begehungen.
Forderung:
Die Zahnärztekammer Nordrhein fordert eine „Zusammenlegung“ und damit Reduzierung der Anzahl der Begehungen pro Praxis, indem die anlassunabhängigen Begehungen nach MPDG und ASiG sowie StrlSchG durch die Sachverständigen der Zahnärztekammer Nordrhein durchgeführt werden.
Begründung:
Die Zusammenlegung der anlassunabhängigen Begehungen führt durch eine transparente Vereinheitlichung der Vorgaben zu einem Abbau des bürokratischen Aufwands. Die Durchführung der anlassunabhängigen Begehungen nach MPDG und Schulungen zum IFSG durch die Sachverständigen der Zahnärztekammer Nordrhein haben sich bewährt. Durch zusätzliche gezielte Schulungen und Informationen zu MPDG und IFSG der Zahnarztpraxen konnte eine Verbesserung der Situation in den Zahnarztpraxen erzielt werden. Durch einheitliche und transparente Vorgaben wurden Unsicherheiten abgebaut, Planungssicherheit gegeben und damit bürokratische Belastungen abgebaut.
Status quo:
Der Betrieb einer Röntgeneinrichtung muss vier Wochen vor der Inbetriebnahme bei der zuständigen Behörde angezeigt werden.
Forderung:
Den Betrieb einer Röntgeneinrichtung unverzüglich nach der Anzeige ermöglichen.
Begründung:
Die von §19 StrlSchG erfassten Röntgeneinrichtungen in Praxen sind aufgrund der Bauartzulassung ihres Strahlers bzw. ihrer Herstellung und ihres
In-Verkehr-Bringens unter dem Anwendungsbereich des Medizinproduktegesetzes (MPDG) zu Recht von einer Genehmigung befreit.
Die Anzeige bei der zuständigen Behörde erfolgt erst nach einer erfolgreichen Abnahme- und Sachverständigenprüfung. Eine Gefährdung von Patientinnen und Patienten sowie Anwendern durch den Betrieb der Röntgenanlage ist dadurch sicher ausgeschlossen. Für den Betreiber führt die Verzögerung dagegen zu einer zusätzlichen Belastung, da aufgrund fehlender Diagnosemöglichkeiten notwendige Therapien nicht durchgeführt werden können. Dies gilt insbesondere für Zahnarztpraxen, bei denen es sich in der Regel um den Ersatz defekter Geräte und nicht die Inbetriebnahme von zusätzlichen Röntgeneinrichtungen handelt.
Status quo:
Röntgenbilder und die Aufzeichnungen von Röntgenuntersuchungen einer Person, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, sind bis zur Vollendung des 28. Lebensjahres dieser Person aufzubewahren.
Forderung:
Die Aufbewahrungsfrist für Aufzeichnungen von Röntgenuntersuchungen bei Personen unter 18 Jahren auf die sonst geltenden 10 Jahre beschränken.
Begründung:
Die zahnärztliche Röntgendiagnostik im Kindes- und Jugendalter bildet ein Wechselgebiss ab. Nach dem Zahnwechsel ist die diagnostische Aussagekraft der Aufnahmen für den Status quo stark limitiert. Die Vereinheitlichung der Aufbewahrungsfristen gefährdet nicht die Sicherheit minderjähriger Patientinnen und Patienten, sondern führt ausschließlich zu einem Bürokratieabbau.
Status quo:
Ein „Informationsschreiben“ der zuständigen obersten Landesbehörden, des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) und des Robert Koch-Instituts (RKI) verunsichert die Zahnärztinnen und Zahnärzte. Demnach sei die Validierung der Wischdesinfektion aufgrund des nicht überprüfbaren Anpressdruckes beim Wischen nicht möglich. Deshalb sei der Einsatz dieses Verfahrens für die abschließende Aufbereitung semikritischer Medizinprodukte unzulässig.
Forderung:
Die Wischdesinfektion ist als valides Verfahren für die abschließende Aufbereitung semikritischer Medizinprodukte anzuerkennen.
Begründung:
Die Wischdesinfektion von Medizinprodukten wurde und wird in der Zahnmedizin seit Jahrzehnten milliardenfach angewendet. Es liegen keinerlei Daten vor, dass es aufgrund der Anwendung des Verfahrens zu Infektionskrankheiten gekommen ist. Eine Untersagung gefährdet die zahnärztliche Versorgung in Deutschland akut. Im Bereich der kabelgebundenen Röntgensensoren würde dies zum Beispiel die Wiedereinführung des strahlenreicheren analogen Röntgens bedeuten. Dies ist im Sinne des Patientenschutzes entschieden abzulehnen ist.
Status Quo:
Praxen erhalten von Krankenkassen Honorarrückforderungen, wenn kleinste Fehler im komplizierten Abrechnungssystem vermutet werden. Viele Forderungen stellen sich als unbegründet heraus, der Nachweis kostet die Praxen aber Arbeitszeit in erheblichem Ausmaß.
Forderung:
Beschränkung von Honorarrückforderungen auf ein sinnvolles Maß, zum Beispiel durch die Einführung von Bagatellgrenzen.
Begründung:
Die Rückforderungsbeträge sind oft um ein Vielfaches niedriger als der durch das Verfahren verursachte bürokratische Aufwand in Praxen sowie in den Fachabteilungen von KZV und Krankenkassen.
Status quo:
Die Formulierung in Artikel 52 Absatz 4 der MDR kann dahingehend interpretiert werden, dass Zahnersatz den implantierbaren Produkten gemäß der Verordnung zuzurechnen ist.
Forderung:
Klarstellung, dass auch nach neuer EU-Medizinprodukteverordnung Zahnersatz kein implantierbares Produkt darstellt. Begrenzung der Aufbewahrungsfrist der Konformitätserklärung für Zahnersatz und kieferorthopädische Geräte auf 10 Jahre.
Begründung:
Zahntechnische Werkstücke wie Kronen und Brücken werden nicht chirurgisch invasiv in den Körper eingebracht. Siehe auch Klassifizierung Regel 5 MDR. Das von ihnen ausgehende Risiko ist nicht mit tatsächlichen Implantaten vergleichbar.
Status quo:
Beginn, Ende und Dauer der Arbeitszeit muss von jedem Arbeitnehmer und jeder Arbeitnehmerin am Tag der Arbeitsleistung elektronisch erfasst werden.
Forderung:
Keine Pflicht zur Erfassung der Arbeitszeit.
Begründung:
Vor allem für kleinere Praxen ist die Benennung nicht angemessen, da sie in der Regel zusätzliche Kosten verursacht.
Status quo:
Die Einführung neuer technischer Anwendungen wird ohne entsprechende Beteiligung und Testung durch die Anwender mit gesetzlichen Fristen festgeschrieben. In Folge werden unausgereifte Anwendungen in den Regelbetrieb überführt, die zu Ausfällen in den Praxen und erheblichem Mehraufwand führen.
Forderung:
Einführung ausschließlich technisch ausgereifter Anwendungen, die einen echten Mehrwert bieten und keinen zusätzlichen bürokratischen Aufwand erzeugen. Dazu sind die Anwender, d.h. Zahnarztpraxen frühzeitig in die Testungen zu integrieren. Eine Einführung in den Regelbetrieb darf erst nach ausreichender Erprobung in Modellregionen und möglichen notwendigen technischen Anpassung erfolgen. Aufhebung der Sanktionen, wenn es industrieseitig zu Verzögerungen kommt. Praxen dürfen nicht für Fehler haften, die sie nicht verantworten.
Begründung:
Nur ausgereifte, praxistaugliche Anwendungen bieten einen Mehrwert, entlasten damit die Zahnarztpraxen und erleichtern den Praxisbetrieb.
ZÄK und KZV Nordrhein sind in guten Gesprächen mit NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann sowie weiteren Verantwortlichen im MAGS NRW. Vor dort aus kommen Signale zurück, dass mit dem Bundesgesundheitsministerium über den Bürokratieabbau diskutiert wird.
Das Thema Bürokratieabbau ist nicht erst seit heute auf der Agenda der Kammer und KZV in Nordrhein.
Bürokratie raubt Behandlungszeit. Um diese zentralen Forderungen geht es:
Unter dem Motto „Zähne zeigen gegen Bürokratie“ gehen Zahnärzte am 25. September an 16 Orten in Nordrhein auf die Straße, um auf die Folgen überflüssiger Bürokratie und einer unausgereiften Digitalisierung aufmerksam zu machen.