Es ist eine beunruhigende Zahl aus dem Jahr 2022: 427 zahnärztliche Investoren-MVZ gibt es nach einer Untersuchungen der KZBV mit dem Titel „Fremdinvestoren in der vertragszahnärztlichen Versorgung“. Das sind vierzigmal so viele wie im Jahr 2015. Die Tendenz für 2023: Es geht weiter steil nach oben. 2023 wird wahrscheinlich die Zahl der investorengetragenen Versorgungszentren im Verhältnis stärker wachsen als andere MVZ. Viele der iMVZ sollte man renditegetriebene MVZ nennen. Erste Erfahrungsberichte, die öffentlich wurden, zeichnen ein alarmierendes Bild. Dazu veröffentlichte nun auch die FDP ein enttäuschendes Positionspapier zu dem immer größer werdenden Problem.
Aus dem Papier der Liberalen lässt sich kaum ein wirksames Vorgehen gegen berufsfremde Investoren ableiten. Zwar bekennt man sich zum freien Beruf des Zahnarztes, gleichzeitig heißt es, dass eine „breite Trägervielfalt“ den Wettbewerb sichere. Dadurch möchte die FDP die flächendeckende Versorgung und eine bestmögliche Versorgungsqualität sicherstellen. Aus Sicht der meisten Zahnärzte dürfte das nicht reichen, um dem Problem der iMVZ entgegenzutreten. „Wer der Meinung ist, dass Investoren aus Steueroasen sich von alleine regulieren, der glaubt auch an den Osterhasen und den Weihnachtsmann“, sagt der Präsident der Zahnärztekammer Nordrhein, Dr. Ralf Hausweiler.
Kapital ist das oft zitierte „scheue Reh“. Daher kann man auch schon „Mergers & Acquisitions“ beobachten, so dass die beiden größten Investoren bei MVZ bereits jetzt schon mehr als 20 Prozent des Marktes beherrschen, wie eine Untersuchung der Bundeszahnärztekammer herausfand. Gewinne locken Investoren Und da Kapital nicht nur ein scheues Reh ist, sondern auch gierig sein kann, werden aller Voraussicht nach nicht nur die Konzentrationsprozesse zunehmen, sondern auch die Zahl der Steuerparadies-Investoren. Zum Nachteil des freien, selbstständigen Zahnarztes, der nicht nur Regeln und Kontrolle unterliegt, sondern auch noch brav seine Steuern zahlt. Gegen die geballte Macht des Großinvestors aus dem Steuerparadies hat eine kleine Zahnarztpraxis keine Chance. Die Folgen dieser Prozesse sind derzeit nicht abzusehen, klar ist aber jetzt schon: Sie dürften nicht im Interesse der Patientinnen und Patienten sein. Dort, wo der „return on invest“ zählt, sind Vollversorgung, hohe Behandlungsbreite und minimalinvasive Therapie eher nicht gewünscht. Sie sind doch meist mit hohem Aufwand und wenig Ertrag verbunden.
Dass dies keine Zukunftsangst ist, sondern bereits Realität, zeigen Berichte von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der iMVZ, die sich hilfesuchend an die Zahnärztekammer gewendet hatten: „Frau M. wurden Füllungen gelegt an Zähnen, die gesund waren, und gesunde Zähne gezogen.“ Am Ende fasst es ein anderer Mitarbeiter so zusammen: „Manche Situation war vor dem Patienten einfach nicht mehr vertretbar und belastet auch mich und meine Freude an der Arbeit extrem.“
Auch der medial bekannt gewordene Fall eines Bonner MVZ zeigt ein klares Bild: Dort hatten Zahnärzte ihr MVZ an einen Investor verkauft. „Danach hat nur noch die betriebswirtschaftliche Sichtweise gezählt“, so ein Gründer, der sich daraufhin aus der Geschäftsführung zurückzog. Inzwischen musste das iMVZ geschlossen werden. Es wird nicht das letzte iMVZ sein. Dabei wird auch schon klar: die iMVZ siedeln sich nur in gut versorgten Gebieten an. Auf dem Land wird die Versorgung durch Investoren nicht verbessert. „Auf alle diese Probleme hat das Positionspapier der FDP keine Antworten“, sagt daher Dr. Ralf Hausweiler.
Weiterführende Links:
KZBV: Investorengetriebene MVZ in der zahnärztlichen Versorgung (PDF)
Autoren: Jens Gerke und Daniel Schrader