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Behandlung von Angstpatienten: Sprechen ist die beste Medizin

Wie Zahnmediziner am besten mit Behandlungsängsten umgehen und wodurch sich Zahnarztangst von Anfang an vermeiden lässt.


Zittern, Schweiß, unruhige Atmung – Angst kann sich auf vielen verschiedenen Wegen äußern. Insbesondere Zahnärztinnen und Zahnärzte werden regelmäßig mit diesen Situationen konfrontiert, da viele Patienten eine mehr oder weniger stark ausgeprägte Behandlungsangst haben. Dabei müsse jedoch zwischen einer Zahnarztangst und einer Angsterkrankung unterschieden werden, stellt Prof. Dr. Nikolaus Michael, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie sowie Facharzt für Neurologie, klar.

Der Unterschied liege vor allem im Ausmaß und der Häufigkeit der Symptome. Zeigen sich mehrere und vor allem stark ausgeprägte Anzeichen einer Angst und sorgen bereits Kontrollbesuche von gesunden Zähnen für Panik, liegt mit großer Wahrscheinlichkeit eine Angsterkrankung vor. Insgesamt leiden rund 20 Prozent der Menschen an Angsterkrankungen – jedoch nicht ausschließlich auf Zahnarztbehandlungen bezogen. Jeder zehnte davon in einem größeren Ausmaß. Kurzum: Schwere Fälle sind relativ selten. Trotzdem ist es wichtig, dass Zahnärzte und Zahnärztinnen mit den Ängsten ihrer Patienten umgehen können. Auch dann, wenn Ausmaß und Häufigkeit der Symptome vermeintlich gering sind.

 

Nicht nur die Zähne, sondern den gesamten Menschen behandeln

Das wichtigste Credo: „Behandeln heißt immer auch, mit dem Patienten zu sprechen“, berichtet Prof. Michael, „wenn Zahnmediziner darauf achten, ist bereits sehr viel getan.“ Denn einer der häufigsten Fehler sei, dass im eng getakteten Terminkalender die Kommunikation mit dem Patienten auf der Strecke bleibe und der Blick des Zahnmediziners ohne Umschweife in den Mund des Patienten gehe. Zudem sollte jeder Behandlungsschritt genau erklärt werden. „Sprechen heißt, eine Beziehung mit dem Patienten einzugehen. Es zeigt, dass nicht nur die Zähne, sondern der gesamte Mensch behandelt wird.“

Auch die Behandlungsatmosphäre sei entscheidend. „Der Patient sitzt oft auf dem Behandlungsstuhl und wartet wie auf dem Schafott“, sagt Prof. Michael. Bei Möglichkeit sollten Gespräche mit dem Patienten nicht im Behandlungsstuhl, sondern separat an einem Tisch stattfinden. Sollte das nicht möglich sein, sollte das Gespräch trotzdem auf Augenhöhe stattfinden und nicht, wenn der Patient bereits liegt und im schlimmsten Fall schon Behandlungsinstrumente im Mund hat. Dieses Extra an Kommunikation kostet Zeit, aber diese Investition zahle sich im weiteren Behandlungsverlauf aus, erklärt Prof. Michael.

 

Hektik überträgt sich auf den Patienten

Ebenso entscheidend ist die nonverbale Kommunikation: dem Patienten in die Augen zu schauen, auf eine freundliche Körpersprache und Mimik zu achten und vor allem ruhig und behutsam mit dem Patienten umzugehen. Stürmt der Zahnarzt in den Behandlungsraum und schreitet hektisch zur Tat, überträgt sich das auch auf den Patienten – und verschlimmert eine vorhandene Angst. Wichtig ist zudem, dass das Thema offen besprochen wird, sowohl bei der Anamnese als auch im späteren Behandlungsverlauf. „Zahnärzte sollten ihren Patienten direkt ansprechen, wenn ihnen etwas auffällt, das auf eine Behandlungsangst schließen lässt“, so Prof. Nikolaus Michael.

Einer der schwerwiegendsten Fehler im Umgang mit Angstpatienten ist es, ihnen für ihren Gebisszustand Vorwürfe zu machen. Denn die Betroffenen sind sich in aller Regel über den schlechten Zustand ihrer Mundgesundheit bewusst und empfinden meist Scham. Werden jetzt noch vonseiten des Behandlers Schuldgefühle vermittelt, ist es deutlich unwahrscheinlicher, dass der Patient noch einmal in die Praxis zurückkommt. „Es geht darum, dem Patienten Mut zu machen“, so Prof. Michael. Das heiße nicht, Dinge zu beschönigen, sondern Probleme nüchtern zu beschreiben und dem Patienten aufzuzeigen, dass sich eine Behandlung lohne.

Trotz aller Behutsamkeit gibt es aber Fälle, in denen eine Behandlung aufgrund einer stark ausgeprägten Behandlungsangst kaum oder nur mit großem Aufwand durchzuführen ist. „In diesen Fällen sollten sich Zahnmediziner nicht davor scheuen, dem Patienten eine Angstbehandlung zu empfehlen.“

 

Ursachen für Ängste liegen oft in der Kindheit – und lassen sich vermeiden

Das beste Mittel gegen eine Angst vor dem Zahnarzt ist, diese von Beginn an – in der Kindheit – zu vermeiden. Bei der Entwicklung von Ängsten spielen unter anderem Anlagefaktoren eine wichtige Rolle: Einige Menschen sind von Grund auf ängstlicher als andere. Ebenso orientieren sich Kinder an ihren Eltern, sodass sich bestehende Ängste von Müttern und Vätern leicht auch auf die Kinder übertragen.

Am wichtigsten ist jedoch die persönliche Erfahrung. Wer in früher Kindheit gute Erfahrungen bei der Behandlung durch den Zahnarzt macht, läuft deutlich seltener Gefahr, Behandlungsängste zu entwickeln. Der zahnärztliche Kinderpass setzt genau an dieser Stelle an, in dem er Eltern zu einem regelmäßigen Zahnarztbesuch ihrer Kinder motiviert. So gewöhnen sich Babys und Kleinkinder bereits früh an einen regelmäßigen Besuch in der Praxis, bevor es zur ersten Schmerzbehandlung kommt.

Aber auch hier ist es entscheidend, ob und wie der Zahnarzt mit dem Kind interagiert. Eine kindgemäße Kommunikation und ein einfühlsames Vorgehen bei der Behandlung sorgen nicht nur dafür, dass sich das Kind in der Praxis wohlfühlt, sondern legen auch langfristige Weichen für angstfreie Behandlungen in der Zahnarztpraxis. Ein Umstand, von dem nicht nur der behandelnde Zahnarzt, sondern auch alle Kollegen, die den Patienten in Zukunft behandeln werden, profitieren.

Autor: Daniel Schrader

Kontakt

Zahnärztekammer Nordrhein

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