Kammerpräsident Dr. Ralf Hausweiler drängte in der Kammerversammlung am 25. Mai 2025 in Neuss auf einen zügigen Bürokratieabbau.
Mit der neuen Regierung und allen voran der neuen Gesundheitsministerin Nina Warken verbinden sich Hoffnungen nach einem Stil- und Politikwechsel in Berlin. Insbesondere die Bürokratie lähmt Zahnärztinnen und Zahnärzte. Deshalb war die Entlastung von Dokumentationspflichten ein entscheidendes Thema der 2. Kammerversammlung am 24. Mai in Neuss. Eine der Forderungen: Die Abschaffung der Validierung.
Es liest sich zunächst einmal gut, worauf sich Union und SPD im Koalitionsvertrag geeinigt haben. Mehr Vertrauen, mehr Eigenständigkeit, mehr Eigenverantwortlichkeit. Wörtlich heißt es: „Alle Gesetze in diesem Bereich werden wir einem Praxis-Check unterziehen.“ Worte, die sehr nach Landesgesundheitsminister Karl-Josef Laumann klingen. Zu Erinnerung: Laumann hatte seiner Zeit angekündigt, den Koalitionsverhandlungen seinen Stempel aufzudrücken.
Das könne man deutlich erkennen, resümierte Kammerpräsident Dr. Ralf Hausweiler bei der Kammerversammlung am 24. Mai in Neuss. Doch: „Klar ist, Bürokratieabbau darf nicht nur ein Lippenbekenntnis sein“, machte Dr. Hausweiler deutlich. Aber die Neubesetzung im Bundesgesundheitsministerium mit Nina Warken gebe Anlass zur Hoffnung. Warken gilt als pragmatisch und gute Managerin. „Die Zeit der Diffamierung von Kammern und KZVen als bloße Lobbygruppen scheint vorbei zu sein“, resümierte Dr. Hausweiler.
Auch ZA Andreas Kruschwitz, Vorstandsvorsitzender der KZV Nordrhein, zeigte sich optimistisch: „Die Situation hat Chancen, nicht nur Risiken“ Die neue Regierung erscheine gesprächsbereiter als früher. Dr. Wolfgang Eßer, Ehrenvorsitzender der KZBV, zeigte sich derweil erfreut über den Wechsel an der Spitze des Ministeriums – und insbesondere den Abschied von Karl Lauterbach. „Endlich ist dieser Chef-Ideologe weg, der uns allen die Arbeit für die Menschen in diesem Land so schwer gemacht hat.“
Doch der neuen Ministerin bleibt wenig Zeit zur Einarbeitung, vor allem in puncto Bürokratieabbau. „Wenn eine Regel für uns keine Relevanz hat, muss sie raus“, stellte Dr. Hausweiler klar. Ob der Begehungsärger um AH plus, Dokumentationspflichten beim Praxismüll oder das angedrohte EU-Ethanolverbot: Anstatt immer neuer Ideen braucht es jetzt Entlastungen.
Dass Zahnärztinnen und Zahnärzte wissen, wie ein sicherer und hygienischer Praxisbetrieb funktioniert, beweist die Berufsgenossenschaft für Gesundheit und Wohlfahrtspflege, die Zahnarztpraxen nun einer niedrigeren Gefahrenklasse zuordnet. Und auch vonseiten der Bezirksregierungen ist immer wieder zu hören, dass Zahnärztinnen und Zahnärzte Klassenbeste seien.
Deshalb stellte der Kammerpräsident gleich einen konkreten Vorschlag zur Entlastung in den Raum: die Abschaffung der Validierung. Gemeinsam mit den Kammern Hessen und Westfalen-Lippe habe man die Bundeszahnärztekammer überzeugen können, eine Stellungnahme zur Änderung der Medizinproduktebetreiberverordnung zu erarbeiten, da für die Abschaffung EU-Recht geändert werden muss. „Dann werden wir eben EU-Recht ändern“, sagte Dr. Hausweiler selbstbewusst. Ein Vorschlag, der auch in der anschließenden Debatte von Dr. Oktay Sunkur (Freier Verband Nordrhein) und Dr. Sibylle Bailer (Verband der ZahnÄrztInnen plus) als guter Schritt zum Bürokratieabbau gewürdigt wurde.
Gleichzeitig setzt sich die Kammer an diversen Stellen bereits selbst für eine Entlastung ein. So erläuterte Vizepräsident Dr. Thomas Heil, wie im Bereich des Strahlenschutzes Aufbewahrungsfristen verkürzt und Ausnahmeregelungen für ältere Geräte erwirkt werden konnten.
Das Übermaß an bürokratischen Auflagen wirkt gleichzeitig noch wie ein Katalysator auf ein weiteres Problem, den Fachkräftemangel. „In Zeiten, in denen Fachkräfte so knapp sind wie das Wasser in der Wüste, können wir uns nicht leisten, ein Viertel der Arbeitszeit durch Bürokratie zu verlieren“, sagte Dr. Heil.
Doch auch hier unterstützt die Kammer und hilft ihren Mitgliedern, qualifiziertes Personal zu finden. Allen voran steht die nordrheinische Ausbildungskampagne, die seit 2024 bundesweit finanziert wird und mitverantwortlich ist, dass die Ausbildungszahlen bundesweit um 12,95 Prozent gestiegen sind, während gleichzeitig bei den MFA ein Rückgang um 4,8 Prozent zu beobachten war. Auch in Nordrhein machte sich der Zuwachs bemerkbar. Erstmals in der Geschichte der Kammer knackte die Zahl der Auszubildenden die Marke von 2.500.
Gleichzeitig hat die Kammer durch Kooperationen mit Agenturen zur Vermittlung von Arbeitskräften aus Vietnam neue Wege zur Gewinnung von Fachkräften erschlossen. Rund 200 Auszubildende sind über diesen Weg bereits nach Nordrhein gekommen. In puncto Personal zählt aber nicht nur Quantität, sondern auch Qualität. Deshalb setzt die Zahnärztekammer Nordrhein seit dem vergangenen Jahr auf eine Umsetzung der praktischen Prüfung von Auszubildenden in Zahnarztpraxen. Nach dem erfolgreichen Testlauf im vergangenen Jahr finden bis auf einzelne Ausnahmen nahezu alle praktischen Prüfungen in diesem Jahr in Zahnarztpraxen statt.
„Wir sind die einzige Zahnärztekammer – bis auf wenige Ausnahmen in Bayern– , die praktisch vor Ort prüft“, so Dr. Heil. Ein wichtiges Anliegen sei ihm zudem, dass auch in Zukunft Zahnärztinnen und Zahnärzte als Berufschullehrer tätig sind, um die Qualität des Unterrichts praxisnah zu halten. „Ich halte es für gefährlich für unsere Schüler, wenn der Lehrer fünf Minuten Wissensvorsprung hat“, stellte Dr. Heil klar. Zusätzlich kündigte er noch ein weiteres Projekt an: E-Learning. Die Planungen für Online-Lernangebote sollen jedoch nicht nur Auszubildenden, sondern mittelfristig auch im Bereich Strahlenschutz zur Anwendung kommen. Aktuell befindet sich die Kammer im Austausch mit verschiedenen Anbietern, um die Möglichkeiten zur Umsetzung zu evaluieren.
Einen großen Fortschritt konnte Dr. Ralf Hausweiler bezüglich der Smileshops vermelden. „Das Düsseldorfer Ordnungsamt hat endlich der Deutschen Zahnklinik die Konzession entzogen, das ist ein großer Erfolg“, berichtete der Kammerpräsident. Die Zahnklinik war wichtiger Teil des Konstrukts hinter der Marke Dr Smile, nach Kenntnis der Kammer war dort jedoch nie ein Zahnarzt tätig und auch Patienten wurden dort nicht behandelt.
Das Landesgesundheitsministerium sowie Landeswirtschaftsministerium haben zudem angekündigt, einen Fall wie die Zahnklinik durch einen entsprechenden Erlass für die Zukunft verhindern zu wollen. Zusätzlich mehren sich Stimmen von Kunden, die Probleme haben, das Unternehmen zu erreichen. Die Kammer habe zudem wiederholt ihre Mitglieder wiederholt vor einer Kooperation gewarnt, berichtete Dr. Hausweiler. Es scheint, als werde es langsam eng für das berufsrechtswidrige Geschäft mit den zahnschienen. Lob für den Erfolg gegen Dr Smile gab es von Dr. Karl Reck, der stellvertretend für die Kieferorthopädische Liste des Freien Verbands das tatkräftige, langjährige Engagement der Kammer bei diesem Thema würdigte.
Weniger positiv bewertete Dr. Hausweiler dagegen die Fortschritte bei der Eindämmung von Fremdinvestoren. Denn der Konsens im Koalitionsvertrag von Union und SPD, der bloß mehr Transparenz vorsieht, gehe nicht weit genug. „Es ist enttäuschend, dass man der einstimmigen Forderung der Gesundheitsministerkonferenz nicht gefolgt ist“, erklärte Dr. Hausweiler. Es brauche eine räumliche und fachliche Gründungsbeschränkung für Krankenhäuser, nicht bloß Transparenz. „Diese muss in das Gesetz – und zwar jetzt!“, stellte Dr. Hausweiler klar. Entsprechend verabschiedeten die Delegierten einstimmig einen Antrag, der die neue Bundesregierung zur Verschärfung des iMVZ-Regulierungsgesetzes auffordert.
Und auch die GOZ war Thema. Die Novellierung der GOÄ könne kein Vorbild sein, erklärte Dr. Hausweiler. Eine Informationskampagne zur Nutzung der Handlungsspielräume von Paragraf zwei, wie sie Nordrhein schon seit Jahrzehnten umgesetzt wird, zuletzt durch die kostenlose Fortbildungsreihen 2023 und 2024, soll nun auch auf Bundesebene durch die BZÄK entwickelt werden. Zudem forderten die Delegierten die BZÄK in einem Antrag auf, einen Vorschlag zu erarbeiten, um die für Zahnärzte in der GOÄ geöffneten Bereiche in die GOZ zu übertragen. Denn durch die Novellierung der GOÄ könnte eine vollständige Trennung von GOÄ und GOZ notwendig werden, da eine Festgebührenordnung nicht mit der zahnärztlichen Freiberuflichkeit vereinbar sei.
Zuletzt appellierte der Kammerpräsident an die neue Gesundheitsministerin, mehr Augenmerk auf Prävention zu setzen, statt wie ihr Vorgänger – etwa bei der PAR-Strecke – den Rotstift anzusetzen. Die Sechste Deutsche Mundgesundheitsstudie habe erneut bewiesen, wie erfolgreich zahnärztliche Prävention ist – und welche Kosten durch die Vermeidung von Krankheiten eingespart werden könnten.
Das gilt nicht nur für den zahnmedizinischen Bereich, sondern in Hinblick auf Wechselwirkung auch für diverse weitere Erkrankungen, insbesondere des Herz-Kreislaufes. In diesem Zusammenhang sei auch die Einführung einer Zuckersteuer sinnvoll, um so Erkrankungsrisiken zu vermeiden und damit die Gesundheitskosten zu senken. Denn diese Art der Kostenreduktion im Gesundheitssektor belastet die Patienten weit weniger als die Kürzung sinnvoller Leistungen.
Autor: Daniel Schrader