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Kammerversammlung Dezember 24: Gesundheitspolitik ist Demokratiegarant

Zum letzten Mal in dieser Legislatur tagte die Kammerversammlung in Neuss. Darin stellte Kammerpräsident Dr. Hausweiler klar: Es braucht dringend einen Politik- und Stilwechsel.


Auf der Kammerversammlung am 7. Dezember 2024 wurde als Dank und Anerkennung für den Einsatz um die Belange der nordrheinischen Zahnärzteschaft die Verdienstmedaille in Gold an drei nordrheinische Zahnärzte verliehen. Die ausführlichen Laudationes finden Sie weiter unten auf dieser Seite.

Stellen Sie sich vor, Sie lassen sich nieder. Am Eröffnungstag Ihrer Praxis warten bereits hunderte Menschen auf Einlass, es kommt zu Tumulten, die Polizei greift ein. Eine derartige Szene, die wir hierzulande bislang nur kennen, wenn Influencer ihre neuen Modekollektionen verkaufen, hat sich tatsächlich im englischen Bristol abgespielt.

Insbesondere die zahnärztliche Versorgung ist dort im staatlichen System des National Health Service (NHS) an die Belastungsgrenzen gekommen. 50 Prozent der Briten haben keinen Zahnarzt, Patienten müssen mitunter zwei Jahre auf Termine warten und bis zu 100 Kilometer fahren. „Das ist das Ergebnis, wenn der Staat das Gesundheitssystem bis ins kleinste Detail regelt, so wie Lauterbach es will“, resümierte Kammerpräsident Dr. Ralf Hausweiler bei der Kammerversammlung am 7. Dezember 2024 in Neuss.

Denn bei Lauterbach, so Dr. Hausweiler, stünden nicht die Bedürfnisse der Patienten, sondern Misstrauen und vor allem staatliche Allmachtsfantasien im Mittelpunkt. „Freiberuflichkeit und ambulante Versorgung gehören zusammen. Wer das eine angreift, schadet auch dem anderen“, sagte Dr. Hausweiler. Ähnlich äußerte sich der KZBV-Vorstandsvorsitzende Martin Hendges: „Selbstverwaltung muss die tragende Säule in der Gesundheitspolitik sein.“

 

Heilberufe sind Rückgrat der Gesellschaft

Ärzte, Zahnärzte und Apotheker seien aus der Sicht von Dr. Hausweiler das Rückgrat dieser Gesellschaft. Der Kammerpräsident verwies in diesem Zusammenhang auf eine Aussage des Bundesärztekammer-Präsidenten Dr. Klaus Reinhardt. Dieser hatte gesagt, dass das Vertrauen der Menschen in die demokratische Grundordnung wesentlich vom Vertrauen in das Gesundheitssystem beeinflusst werde.

„Deshalb brauchen wir einen Politikwechsel in Berlin“, stellte Dr. Hausweiler klar. Denn die Herausforderungen der Zahnärzteschaft sind immens: Bürokratie, GOZ, Fachkräftemangel – die neue Regierung wird viel zu tun haben.
Insbesondere die Bürokratie belastet Praxen – und kostet wertvolle Behandlungszeit. „Zahnarztpraxen befinden sich im Bürokratieburnout“, sagte Dr. Hausweiler in seiner Rede, „dabei wäre der Bürokratieabbau ein Konjunkturpaket zum Nulltarif!“

Neuester Streich ist das von der EU geplante Ethanolverbot in Desinfektionsmitteln. Die beschriebenen Gefahren beziehen sich jedoch einzig auf eine orale Einnahme von Ethanol, was bei der sachgemäßen Verwendung von Desinfektionsmitteln nicht vorkommen sollte. „Das geplante Verbot wirkt wie Slapstick, aber das Lachen bleibt einem im Hals stecken“, sagte Dr. Hausweiler.

Doch das sind und waren nicht die einzigen Negativbeispiele. Eine behördlich angedrohte Praxisschließung wegen der Verwendung des Mittels AH Plus in Düsseldorf sowie ein Anschreiben in Aachen bezüglich verschärfter Wasseruntersuchungen, da Praxen angeblich zu den Trinkwasserabgabestellen zählen würden, sorgten ebenfalls für Ärger in der Zahnärzteschaft.

 

Erfolgreicher Aktionstag gegen Bürokratie

Mit dem groß angelegten Aktionstag gegen Bürokratie hatten Zahnärztekammer und KZV Nordrhein am 25. September Zähne gezeigt – und das mit Wirkung: Zwölf Berichte in Medien und 1.800 unterschriebenen Protestpostkarten konnten Aufmerksamkeit auf das Problem legen. Kammerpräsident Dr. Hausweiler wird die Postkarten am 20. Dezember persönlich im Wahlkreisbüro von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach abgeben. „Lauterbach hat sicher gedacht, dass ich so spät nicht kommen würde, aber ich wäre auch am 24. Dezember gekommen!“

Aber die Kammer hat in den vergangenen Jahren nicht nur Forderungen aufgestellt, sondern auch konkret gehandelt. Beispielhaft steht dafür die Negativdokumentation, ein System, um das nordrheinische Zahnärzte bundesweit beneidet werden. Darüber hinaus ist kürzlich das neue IfSG-Modell zu Praxisbegehungen als Nachfolger des erfolgreichen Düsseldorfer Modells gestartet. Zudem steht die Kammer in Gesprächen mit dem Landesgesundheitsministerium für ein Pilotprojekt zur Zusammenlegung der MPDG-Begehungen mit Begehungen zum Arbeits- sowie Strahlenschutz.

Diese Bürokratieerleichterungen währen jedoch ohne die Kooperation von Landesgesundheitsminister Karl-Josef Laumann nicht möglich, der im Gegensatz zu seinem Bundeskollegen auf Diskurs statt Ignoranz setzt. „Laumann steht beispielhaft für eine konstruktive Zusammenarbeit mit den Kammern“, sagte Dr. Hausweiler. Dies habe sich auch gezeigt beim Wahlaufruf, den Laumann für die Kammerwahl 2024 aufgenommen hatte. Darin würdigte Laumann die Bedeutung der Selbstverwaltung für das Gesundheitswesen. Und auch beim Thema Fremdinvestoren steht Minister Laumann seit Jahren an der Seite der Kammer, erst im Sommer hat er eine erneute Unterstützung gegen iMVZ auf Bundesebene in Aussicht gestellt. Auch beim Kampf gegen eine Vergewerblichung durch Aligner-Anbieter unterstützt Minister Laumann die Kammer.

 

GOZ: Novellierung der GOÄ kann kein Vorbild sein

Eine weitere Baustelle ist die seit 1988 unveränderte GOZ, vom Gesundheitsökonom Prof. Jochen Wasem als Staatsversagen bezeichnet. Erst kürzlich erklärte die Bundesregierung auf eine parlamentarische Anfrage erneut, dass eine Erhöhung der GOZ „derzeit nicht geplant“ sei.

Nicht zuletzt, weil die GOZ in ihrer jetzigen Form aus Sicht der Bundesregierung ein wirtschaftliches Arbeiten ermögliche. Dr. Thomas Heil, Vizepräsident der Zahnärztekammer Nordrhein, stellte deshalb in seiner Rede klar: „Wir müssen selbst etwas tun und Paragraf Zwei nutzen, denn uns wird keiner helfen.“

Mit der GOZ-Seminarreihe Anfang 2024 habe die Kammer dafür Unterstützung geboten, so Dr. Heil. Und diese wirkte: So zeigen Abrechnungsdaten, dass durchschnittlichen Steigerungsfaktoren seit 2021 gestiegen seien. „Wir dürfen nicht vergessen, dass 70 Prozent der GOZ bei einem Steigerungssatz von 2,3 unter dem BEMA liegen“, sagte Dr. Heil in seiner Rede.

Eines stellte der Vizepräsident jedoch umgehend klar: Die Novellierung der GOÄ könne kein Vorbild für eine neue GOZ sein. Denn dieser Entwurf, der auch zu erheblicher Kritik unter den ärztlichen Fachverbänden geführt hat, sieht keine Steigerungssätze und keine Analogberechnung mehr vor.

 

Keine Denkverbote im Kampf um Fachkräfte

Ab 2025 werde der Bedarf an Fachkräften in der Human- und Zahnmedizin das Angebot an Arbeitskräften übersteigen, so Dr. Heil. So werde sich das bereits bestehende Fachkräfteproblem in den Praxen in Zukunft noch weiter verschärfen: „Ohne Zuwanderung werden wir nicht überleben.“ Bereits jetzt haben 44 Prozent der nordrheinischen ZFA-Auszubildenden einen Migrationshintergrund, doppelt so viele wie zehn Jahre zuvor.

„Bei der Gewinnung von Mitarbeitenden darf es keine Denkverbote geben, wir müssen schneller sein als die Konkurrenz“, sagte Dr. Hausweiler. Neben bekannten und erfolgreichen Projekten wie der Ausbildungskampagne, die inzwischen bundesweit unter nordrheinischer Federführung läuft, oder dem Projekt zur Schulung von Fachkräften für die Aufbereitung zahnmedizinischer Instrumente hat die Kammer neue Wege eingeschlagen: Dazu zählen die Schulung von Quereinsteigern oder das Rekrutieren von Auszubildenden aus Vietnam, aber auch digitale Verwaltungsprozesse wie das Digitale Berichtsheft und der Digitale Ausbildungsvertrag, die den bürokratischen Aufwand für Praxen verringern.

Dass das Engagement der Zahnärztekammer Nordrhein wirkt, zeigen die Ausbildungszahlen. „Als eine Kammer mit rund zehn Prozent aller deutschen Zahnärzte, haben wir einen Anteil von 15,5 Prozent an den bundesweiten Ausbildungsverträgen“, berichtete Dr. Heil. Und auch bei der Ausbildung nehme die Kammer durch die neue praktische Prüfung eine bundesweite Vorreiterrolle ein.

 

Ausblick in herausfordernde Zukunft

Ob Bürokratie, Fachkräfte oder GOZ – das Pflichtenheft für die kommende Bundesregierung ist groß. Und das sind bei Weitem nicht die einzigen Baustellen. Der demografische Wandel mit einer steigenden Zahl von Rentnern und immer weniger Beitragszahlern wird das Gesundheitssystem immer stärker unter Druck setzen. „Es bedarf der Sanierung des Sozialstaats, aber wer traut sich, und wann“, schlussfolgerte Dr. Hausweiler.

„Wir haben in den vergangenen fünf Jahren viel erfolgreiches erreicht“, resümierte der Kammerpräsident zum Ende der Legislaturperiode. Auch Andreas Kruschwitz, Vorstandsvorsitzender der KZV Nordrhein fand ausschließlich positive Worte für die Arbeit der Kammer: „Mein Dank an Vorstand und Präsidium für fünf anstrengende und erfolgreiche Jahre; die Hilfe der Kammer ist wirksam.“ Gleichzeitig mahnte er für die Zukunft: „Was vor uns liegt, wird auch anstrengend.“

Ähnlich beurteilte es Kammerpräsident Dr. Hausweiler. Sein Credo für die Zukunft: „Unser Berufsstand muss geschlossen für Politik- und Stilwechsel kämpfen, diesen einfordern und ihn mitgestalten.“ Der erste Termin für diese Aufgabe: die konstituierende und damit erste Kammerversammlung der neuen Legislaturperiode am 8. Februar 2025.

Autor: Daniel Schrader


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