Ehemalige Mitarbeiter erheben laut eines neuen Medienberichts schwere Vorwürfe gegen iMVZ. Lauterbach tut jedoch – trotz diverser Versprechen – nichts.
468 investorengeführte medizinische Versorgungszentren mit fast 2000 dort tätigen Zahnärzten gibt es inzwischen in Deutschland, 19,2 Prozent davon befinden sich in Nordrhein, vor allem in den für Investoren attraktiven Ballungszentren um Düsseldorf, Köln und Bonn. Mit der steigenden Zahl – so scheint es – steigt auch die Menge an kritischen Berichten.
Ein Beitrag im ZDF-Magazin Frontal beschäftigte sich kürzlich mit den Folgen des Einstiegs von Investoren in der Medizin und der damit verschlechterten Behandlungsqualität – beispielshaft erklärt an Augen- und Zahnärzten –, in dem unter anderem Andreas Kruschwitz, Vorstandsvorsitzender der KZV Nordrhein, interviewt wurde. Ein weiterer Bericht aus dem Business Insider gab zudem dramatische Eindrücke aus dem Praxisalltag wieder.
In dem Bericht geben ehemalige Mitarbeitende an, in umsatzschwachen Praxen seien sogenannte All-on-4-Behandungen durchgeführt worden, bei denen in einer Sitzung alle Zähne entfernt und durch Implantate ersetzt würden. Jedoch habe das Personal – so der Bericht – nicht ausreichend Erfahrung für die Durchführung dieser Eingriffe gehabt, sodass es vermehrt zu Komplikationen gekommen sei. Der Betreiber der Praxis entgegnete in dem Artikel, dass es sich um unbestätigte Vorwürfe gegenüber Einzelpersonen handele.
Im Weiteren werden in dem Artikel jedoch noch Vorwürfe wegen berufswidriger Werbung für die besagte Behandlung sowie eine nicht ausreichende Aufklärung der Patienten über die Behandlungskosten erhoben.
Es ist nicht das erste Mal, dass kritisch über iMVZ berichtet wird. In der Vergangenheit gab es unter anderem Artikel über praktizierendes Personal ohne Approbation oder Vorwürfe zu Umsatzdruck in den Praxen. Auch die Zahnärztekammer Nordrhein erreichen regelmäßig Berichte von ehemaligen Mitarbeitenden, die unter anderem eine Vielzahl unnötiger Eingriffe schildern, nur um Umsatzziele zu erreichen.
In der Zahnärztekammer Nordrhein ist das Thema bereits seit vielen Jahren auf der Agenda. Immer wieder haben Kammerpräsident Dr. Ralf Hausweiler und der KZV-Vorstandsvorsitzende Andreas Kruschwitz gegenüber Politik und auch der Öffentlichkeit klargestellt, dass Profite nicht über dem Patientenwohl stehen dürfen und investorengeführte Praxen eine Gefahr für Patienten darstellten. „Was laut Aussagen von Insidern offenbar in den iMVZ passiert, verstößt gegen jegliche medizinische Ethik und wäre nichts anderes als eine Körperverletzung an den Patienten“, so der Kammerpräsident.
Und auch Statistiken legen Auffälligkeiten nahe: Laut einer Studie im Auftrag der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung (KZBV) ist inzwischen mehr als jedes fünfte Medizinische Versorgungszentrum in der Hand von Fremdinvestoren. Die Studie zeigt zudem, dass in iMVZ bis zu 25 Prozent mehr Leistungen pro Patienten abgerechnet werden als in anderen Praxisformen. Entsprechend scheint es, als seien Patienten in iMVZ deutlich kränker als Patienten anderer Praxen.
Auch ein Gutachten des Rechtswissenschaftlers Prof. Helge Sodan von der Freien Universität Berlin warnt in Hinblick auf das Abrechnungsverhalten vor den Auswirkungen der iMVZ auf die Versorgung. In dem Gutachten heißt es wörtlich: „Aus der Beteiligung von Finanzinvestoren an der vertragszahnärztlichen Versorgung lassen sich Gefahren für das Patientenwohl und für die Versorgungsqualität ableiten.“
Zudem kommt eine Studie der Harvard-Medical-School zu besorgniserregenden Ergebnissen. Sie untersuchte den Einfluss von Investorenübernahmen auf die Behandlungsqualität in US-Krankenhäusern mit dem Ergebnis, dass es dort häufiger zu Komplikationen und Infektionen gekommen sei.
Daher stellt Dr. Ralf Hausweiler noch einmal klar: „Gesundheitsversorgung gehört nicht in die Hand von Spekulanten!“ Es muss ein räumlicher und fachlicher Bezug Voraussetzung zum Betreiben einer Zahnarztpraxis sein, so die Kernforderung der Kammer. „Lauterbach hat uns oft versprochen, sich diesem Thema anzunehmen“, berichtet Dr. Hausweiler, „und uns noch häufiger vertröstet. Zum Schutz unserer Patientinnen und Patienten muss er seinen Worten endlich Taten folgen lassen!“ Anlässe dafür gebe es genug, wie die jüngste Berichterstattung zeige. Und – dafür braucht es keine Propheten – es wird sicher nicht der letzte Bericht über dieses Thema gewesen sein.
Im Juni, kurz vor Beginn der Sommerferien, wandten sich Kammerpräsident Dr. Hausweiler und KZV-Vorstandsvorsitzender Kruschwitz noch einmal in einem gemeinsamen Schreiben an den NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann, um ihn um Unterstützung zu bitten. Bereits in der Vergangenheit hatte sich Laumann für eine Beschränkung von Fremdinvestoren ausgesprochen und entsprechende Beschlüsse der Gesundheitsministerkonferenz mitinitiiert.
In einem Antwortschreiben des Gesundheitsministeriums des Landes Nordrhein-Westfalen, direkt nach den Sommerferien, ließ Laumann seine Unterstützung zusichern. Es könne versichert werden, „dass die Lander den Bund bei diesem Thema nicht aus der Verantwortung lassen und weiterhin eine stärkere Regulierung von MVZ vorantreiben werden.“, so wörtlich. Das Ministerium habe den Bund im Rahmen einer Stellungnahme erneut aufgefordert, kurzfristig einen Gesetzesentwurf zur Regulierung von MVZ vorzulegen.
„Minister Laumann beweist erneut, dass die Sicherheit unserer Patienten für ihn oberste Priorität hat“, sagt Kammerpräsident Dr. Hausweiler, „nun liegt der Ball bei Herrn Lauterbach, endlich zu handeln, anstatt weiter leere Versprechungen zu machen.“