Unsere Gesellschaft wird älter. Damit kommt eine Vielzahl an Herausforderungen auf die Zahnärztinnen und Zahnärzte zu. Eine besondere Gruppe sind die Demenzerkrankten. Sie sind selbst meist nicht mehr in der Lage, eine ausreichende Mundhygiene aufrecht zu erhalten. Mit sehr weitreichenden Folgen für die Gesundheit.
„Demenz betrifft jeden von uns“, sagte ZA Mattias Abert, Vorstandsmitglied der Zahnärztekammer Nordrhein und zuständig für Alterszahnheilkunde bei der Demenz-Woche des Gesundheitsamts Rhein-Erft. Sehr persönlich erzählte er dem Fachpublikum, wie es auch ihn im familiären Kreis getroffen hatte. „Derzeit gibt es rund 1,8 Millionen demenziell Erkrankte in Deutschland“, führte Abert weiter aus. Und die Prognosen sehe einen kontinuierlichen Zuwachs in den kommenden Jahrzehnten. Daher begrüße er die Veranstaltung im Rhein-Erft-Kreis. Gerade bei pflegebedürftigen Personen sei die Mundhygiene oft nicht gut. Die Auswirkungen seien hinreichend bekannt und wissenschaftlich belegt: Von Herz- und Kreislauferkrankungen über Diabetes bis hin zu Verschlechterungen bei Lungenerkrankungen sind die Folgen vielfältig. Weiterhin neigen Demenzerkrankte dazu, sich mangelhaft zu ernähren. Wenn durch schlechte Mundpflege dann auch noch Schmerzen beim Kauen dazukommen, beginnt eine oft tödliche Spirale.
„Der Anteil an neurodegenerativen Erkrankungen wird in den nächsten Jahrzehnten prognostisch stark zu nehmen“, machte Dr. Isabel Deeg von der Uniklinik Köln zu Beginn ihres Vortrags klar. In ihrem Vortrag stellte sie die aktuelle Forschung des Zentrums für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde vor. Dr Deeg erforscht, ob es auch direkte Zusammenhänge zwischen demenziellen Erkrankungen und Mundgesundheit gibt. „Die aktuelle Datenlage indiziert, dass auch Mundgesundheit ein potenzieller Risikofaktor demenzieller Erkrankungen sein könnte“, so Dr. Deeg zum Stand der Forschung. „Hier sind weitere Untersuchungen notwendig, um diesen Zusammenhang zu belegen“, betonte sie. Im „Lancet Commission on Dementia prevention report 2020“ wurden 12 modifizierbare Risikofaktoren identifiziert, die für etwa 40% des weltweiten Demenzrisikos verantwortlich sind. Auch bei der Kaufunktion sah Dr. Deeg eine Assoziation mit Demenz „über verschiedene wechselwirksame Mechanismen wie Parodontitis oder Mangelernährung“. Weitere Forschungsarbeit ist nötig, um den Zusammenhang wissenschaftlich zu belegen. „Generell ist es wünschenswert, Mundgesundheit als Teil des geriatrischen Syndromkomplexes zu etablieren, um zukünftig auf neurodegenerative Erkrankungen noch interdisziplinärer eingehen zu können“, fasste Dr. Deeg zusammen.
Dr. Sabine Fiedler vom Zahnärztlichen Dienst im Rhein-Erft-Kreis stellte die Ergebnisse einer Umfrage vor. Die Altenheime im Kreis wurden befragt, wie viel Wissen über Seniorenzahngesundheit beim Pflegepersonal vorhanden ist. Das erfreuliche Ergebnis: Beim Pflegepersonal gibt es sowohl ein hohes Bewusstsein für das Thema, als auch nach Selbsteinschätzung ausreichend Wissen. Aus Sicht von Dr. Fiedler bereits eine gute Richtung, aber mit Luft nach oben. „Wir müssen die Mundgesundheit noch mehr in Pflege bekommen“, forderte sie daher und wünschte sich für die Zukunft: „Ich hoffe, dass wir bei Senioren bald so gut sind, wie bei der Präventionsarbeit mit Kindern.“ Hier habe die Zahnärzteschaft schon sehr viel erreichen können und Zahngesundheit für Kinder ist inzwischen in sehr vielen Fällen schon selbstverständlich.
Seniorenzahnmedizin und ihre speziellen Themengebiete, wie beispielsweise Demenz, stecken oft noch in Kinderschuhen. „Während die Menschen in den Altenheimen oft noch gut versorgt werden, ist das weitaus größere Problem Menschen, die Zuhause gepflegt werden“, sagte ZA Mattias Abert. Und das sind derzeit rund 80 Prozent aller Pflegebedürftigen. „Das ist ein riesiger schwarzer Fleck“, sagte das Vorstandsmitglied der Zahnärztekammer Nordrhein. Dieser sei bisher kaum beachtet worden. Es gibt als noch viel zu tun für die Zukunft.