Die äußere weiße Schicht des Zahnes, der Zahnschmelz, ist aufgrund des sehr hohen Mineralstoffgehalts das härteste Material im menschlichen Körper. Auch das darunter liegende Zahnbein (Dentin) ist immer noch wesentlich härter als unser Knochen. Es kommt daher bei gesunden Zähnen relativ selten und nur bei extrem hoher Krafteinwirkung wie beispielsweise einem Unfall zu einem Bruch (Fraktur). Anders sieht es natürlich aus, wenn ein Zahn schon durch eine vorausgegangene Karies stark geschwächt ist, eine große Füllung aufweist oder bereits eine Wurzelkanalbehandlung durchgeführt werden musste. Insbesondere extreme punktförmige Krafteinwirkungen wie der berühmte Biss auf den Kirschkern können eine Fraktur auslösen. Dies kann aber auch bei starkem Zähneknirschen oder -pressen (Bruxismus) passieren, da nach wissenschaftlichen Erkenntnissen dabei ein Druck bis zum Zehnfachen der normalen Kaubelastung auftreten kann.
„Cracked Tooth“ – „Loslass-Schmerz“ führt zur richtigen Diagnose
Es gibt verschiedene Arten von Zahnfrakturen. Harmlos sind relativ häufig vorkommende kleine Risse, die auf den Zahnschmelz begrenzt sind, in der Regel keine Beschwerden auslösen und nicht behandelt werden müssen. Bei Rissen oder Sprüngen, die bis in das Dentin reichen, ist das ganz anders: Solche „Infraktionen“ – in der Fachsprache auch als „Cracked-Tooth-Syndrom“ bezeichnet – können schnell fortschreiten und zu einer vollständigen Fraktur bis in den Wurzelbereich eines Zahnes führen. Dann sind die Chancen für eine Zahnerhaltung nicht mehr gut. Leitsymptom für das Vorliegen einer Infraktion ist neben einer erhöhten Temperaturempfindlichkeit (insbesondere auf „kalt“) die Aufbissempfindlichkeit des betroffenen Zahnes. Im Unterschied zu anderen akuten Zahnerkrankungen, die mit Beschwerden bei vertikaler Belastung einhergehen, tritt die Schmerzsymptomatik jedoch erst nach dem langsamen Zubeißen auf einen harten Gegenstand als kurzer, stechender Schmerz beim „Loslassen“ auf.
Exakte Untersuchung in mehreren Schritten
So lässt sich schon einmal herausfinden, welcher Zahn betroffen ist, was bei vorhandenen Füllungen oder Kronen gar nicht so einfach ist. Laut Statistik treten Infraktionen am häufigsten bei den unteren und oberen Backenzähnen (Molaren = 76 %), weniger häufig bei den Vorbackenzähnen (Prämolaren = 22 %) auf. Als nächstes ist zu klären, wo genau die Frakturlinie liegt, wie sie verläuft und wie lang sie ist. Zur weiteren Diagnostik des Zahnarztes gehören hier Röntgenaufnahmen, die exakte visuelle Untersuchung mit Lupenbrille und/oder Operations-Mikroskop – nach Entfernung von Füllungen oder Kronen – und die Transillumination (Durchleuchtung mit speziellen Lichtquellen). Erst wenn geklärt ist, ob auch bereits eine Mitbeteiligung oder Irritation des Zahnmarks (Pulpa) vorliegt, kann eine zielgerichtete und erfolgversprechende Behandlung geplant werden.
Schienen, stabilisieren und langfristig erhalten
Die Möglichkeiten der Zahnmedizin sind auch bei Vorliegen eines „Cracked-Tooth-Syndroms“ vielfältig, begünstigt durch die ständige wissenschaftsbasierte Fortentwicklung bei Füllungsmaterialien (beispielsweise sog. „Komposite“) und durch den Einsatz moderner Klebetechniken („adhäsive Befestigung“). Als Sofortmaßnahme nach der Diagnose steht die Schienung und Stabilisierung des Zahnes im Vordergrund, um ein weiteres Voranschreiten der Infraktion oder eine komplette Fraktur zu vermeiden. Hier können Metallbänder zum Einsatz kommen, die von den festsitzenden Spangen aus der Kieferorthopädie bekannt sind. Eine interne (innere) Schienung erfolgt mittels Kompositmaterial in Adhäsivtechnik (s.o.). Nach entsprechender Reaktionszeit und Beschwerdefreiheit kann dann später ein langfristiger Zahnerhalt über Einlagefüllungen (Inlays), Teilkronen oder eine vollständige Überkronung eingeleitet werden. In ungünstiger verlaufenden Fällen kommen zunächst Wurzelkanalbehandlungen oder chirurgische Maßnahmen zum Zahnerhalt infrage. Leider kann in aussichtslosen Situationen auch eine Zahnentfernung (Extraktion) notwendig werden.