Der Fluorideffekt:
Fluoride schützen vor Karies und unterstützen die Behandlung bei Heiß-, Kalt-, Süß- und Sauerempfindlichkeiten der Zähne. Die Wirkungsweise ist wissenschaftlich zweifelsfrei gesichert, funktioniert aber auf eine andere Art und Weise, als man es sich vor noch etwa dreißig Jahren vorgestellt hatte. Man dachte damals, man könne Zähne durch Flourideinlagerung dauerhaft härter und damit Säureangriff unabhängiger machen. Trinkwasser- und Tablettenfluoridierungen waren die Folge – ein Irrtum, wie man heute weiß.
Im Jahr 1990 konnte eine skandinavische Forschergruppe beweisen [1], dass die Menge des fest im Zahn eingelagerten Fluorids unabhängig vom individuellen Kariesrisiko ist. Sie untersuchten Haifischzähne, die 60mal mehr Fluoridanteil haben als ein menschlicher Zahn. Beide wurden in Zahnprothesen eingebaut. Zur Überraschung aller bekamen beide Zähne genauso schnell Karies.
Seit diesen Versuchen weiß man, dass nicht der gehärtete Zahn, sondern eine permanente Oberflächenreaktion in und auf der äußersten Zahnschmelzschicht für den vorsorgenden Effekt verantwortlich ist. Die Wirkung ist also nicht abhängig von der vorherigen Fluorideinlagerung im Zahn, sondern von der aktuellen Fluoridverfügbarkeit.
Unter Säurewirkung – und das geschieht regelmäßig nach Zuckervergärung der Mundbakterien – lösen sich äußere Kristalle aus dem Zahnschmelz. Der Körper kann das bedingt reparieren. Er arbeitet kleine Kalziumapatitkristalle in den Zahn ein, jedoch nur unter günstigen Säurebedingungen zwischen einem pH- Wert von etwa 7 bis 5. Ist die Säure stärker, weil die Zuckerzufuhr zu intensiv oder die Bakterien zu viele waren, versagt das natürliche Schutzsystem. Sinkt der Wert tiefer zwischen pH 5 und 4, kann zusätzlich Fluorid diese Reparatur verrichten. Sinkt der Säurewert noch weiter ab, z.B. bei total vernachlässigter Mundhygiene, kann weder Kalzium noch Fluorid vor Karies schützen, der Zahn ist dauerhaft gefährdet. Fluorid wirkt also besonders gut bei mitteleuropäischen Ernährungsgewohnheiten beim kleinen bis mittleren Säureangriff. Deshalb ist der Fluorideffekt bei sehr schlechter Mundhygiene gering. Fluorid kann nicht die Zahnpflege ersetzen, sondern schafft einen zusätzlichen Reparaturbereich bei kleinen bis mittleren Säureangriffen – es ist also quasi die „Versicherung“ bei kleinen Zahnsünden. Zahnpasten ohne Fluoridzusatz fehlt die Reparatureigenschaft im tieferen Säurebereich zwischen pH 4 und 5; sie bieten deshalb nur einen eingeschränkten Kariesschutz.
Fluorid künstlich zuführen – systemisch oder lokal
Man kann auf zwei Arten Fluoride zuführen: Systemisch oder lokal.
Bei der systemischen Fluoridierung wird dem gesamten Körper über die Nahrungskette Fluorid zur Verfügung gestellt. Diese beruht auf einer heute als überholt geltende wissenschaftliche Lehrmeinung, in der man glaubte, Zähne mit Fluoriden dauerhaft härten und schützen können. Außerdem hat diese Zufuhr Nebenwirkungen an den Zähnen: Fluorid wird oft ungleichmäßig in die Zahnstruktur eingearbeitet (Dentalfluorose). Dabei entwickeln sich hässliche Flecken auf den Zähnen, die nicht mehr zurückgehen.
Früher gab es einige wenige Länder, die Fluorid künstlich dem natürlichen Trinkwasser beigemengt haben (z.B. auch in der ehemaligen DDR), inzwischen sieht man weltweit davon ab.
Auch die Bedeutung der Tablettenfluoridierung ist rückläufig. Zahnärztliche Fachgesellschaften lehnen diese Art der Fluoridzufuhr wegen der geringen Wirksamkeit und der hohen Nebenwirkungsrate weitestgehend ab. Deutschland ist eines der ganz wenigen Ländern weltweit, in dem immer noch in den ersten Lebensjahren Fluoridtabletten verordnet werden, zumeist durch Kinderärzte. In der Schweiz zum Beispiel sind Tablettenfluoridierungen schon lange kein Thema mehr.
Außerdem fluoridiert die Tablette zum falschen Zeitpunkt und zu wenig an der Zahnoberfläche, weil die Mundverweildauer zu kurz ist. Manchmal wird als Vorteil herangeführt, dass mit der Tablettenfluoridierung Kariesrisikokinder ohne gute Mundhygiene ansonsten keinen Fluoridschutz hätten. Zahnärzte hingegen weisen diesen vermeintlichen Vorteil ab, weil Fluorid bei schlechter Mundhygiene fast keine nachweisbare Wirkung hat. Fluoridtabletten können wirken, wenn man sie langsam im Mund zergehen lässt – nicht aber über die Einlagerung im Zahn. Auch deshalb gilt gilt die zahnärztlichen Empfehlung: Keine Fluoridtabletten, wenn noch keine Zähne im Mund sind.
Die Speisesalzfluoridierung ist heute etabliert und gilt als Empfehlung. Im handelsüblichen Kochsalz ist deshalb neben Jodsalz auch Fluorsalz beigemengt. Der Vorteil: Wenn während einer Mahlzeit die Mundbakterien schon einen Säureangriff vorbereiten, erhöht sich gleichzeitig der Fluoridgehalt im Mund, um erste Reparaturmaßnahmen einzuleiten – ganz zur rechten Zeit. Somit hat Speisesalz, obwohl es in die Nahrungskette gerät, eine sinnvolle direkte Wirkung an der Zahnoberfläche. Mit Beginn der festen Kost sollte fluoridiertes Speisesalz lebenslang verwendet werden.
Zahnärzte bevorzugen die lokale Fluoridierung – also nur über die Zahnoberfläche direkt an den gewünschten Wirkungsort. Um effizient zu sein, sollte die lokale Fluoridierung ein Leben lang erfolgen. Art und Umfang sind abhängig vom individuellen und lebensaltertypischen Kariesrisiko.