Düsseldorf, 15.09.2021 – In einem Verfahren der Zahnärztekammer Nordrhein hat der Bundesgerichtshof mit aktuellem Urteil die Vorgaben für eine Werbung von Zahnärzten, die nicht Fachzahnärzte für Kieferorthopädie sind, mit der Gebietsbezeichnung „Kieferorthopädie“ konkretisiert. In der kieferorthopädischen Leitsatzentscheidung stellen die obersten Bundesrichter klar:
„Wirbt ein Zahnarzt, der nicht Fachzahnarzt für Kieferorthopädie ist, mit den Angaben "Kieferorthopädie" und "(Zahnarzt-)Praxis für Kieferorthopädie", muss er der dadurch ausgelösten Fehlvorstellung eines erheblichen Teils der angesprochenen Verkehrskreise, er sei Fachzahnarzt für Kieferorthopädie, durch zumutbare Aufklärung entgegenwirken.“
I. Zum Sachverhalt
Die Zahnärztekammer Nordrhein hat im Rahmen der Berufsaufsicht unter Bezugnahme auf die jeweiligen Screenshots der Internetseite die folgenden Werbungen eines niedergelassenen Zahnarztes beanstandet:
„Kieferorthopädie in der …-Straße“,
„Zahnarztpraxis für Kieferorthopädie“,
„Praxis für Kieferorthopädie“,
„Kieferorthopädie der …zahnärzte“,
„Kieferorthopädie der ……zahnärzte“.
Der beklagte Zahnarzt hat keine Weiterbildung im Gebiet der Kieferorthopädie absolviert und ist daher auch nicht berechtigt, die Bezeichnung „Fachzahnarzt für Kieferorthopädie“ zu führen. Er ist seit 30 Jahren niedergelassen und erbringt kieferorthopädische Leistungen. Er erwarb im Jahr 2012 den österreichischen Masterabschluss mit dem Titel „Master of Science Kieferorthopädie (MSc)“ und hat gegenüber der Zahnärztekammer Nordrhein den Tätigkeitsschwerpunkt Kieferorthopädie angezeigt.
Die Zahnärztekammer Nordrhein hat Unterlassungsansprüche gegen den Zahnarzt geltend gemacht und zur Begründung im Wesentlichen vorgetragen, dass die beanstandeten Werbungen irreführend und damit berufsrechtswidrig sowie wettbewerbswidrig seien, weil bei potentiellen Patienten die hier unzutreffende Erwartung eines erfolgreichen Abschlusses einer förmlichen Weiterbildung als Fachzahnarzt für Kieferorthopädie geweckt werde.
In erster Instanz hat das Landgericht Düsseldorf (Urteil vom 06.03.2019 - 34 O 75/18) der Klage der Zahnärztekammer Nordrhein stattgegeben und den beklagten Zahnarzt antragsgemäß verurteilt, die beanstandeten Werbungen zu unterlassen.
In zweiter Instanz hat das Oberlandesgericht Düsseldorf (Urteil vom 18.06.2020 - I-20 U 35/10) auf die Berufung des Zahnarztes das erstinstanzliche Urteil aufgehoben und die Klage der Zahnärztekammer Nordrhein abgewiesen. Im Wesentlichen stellte das Gericht darauf ab, dass die mit den Werbungen angesprochenen Patienten die werblichen Aussagen lediglich dahingehend verstünden, dass in der Zahnarztpraxis kieferorthopädische Behandlungen angeboten würden und der Beklagte über einen entsprechenden Tätigkeitsschwerpunkt und ausgewiesene Kenntnisse verfüge. Die Erwartung eines Fachzahnarztes für Kieferorthopädie sei mit den Werbungen jedoch nicht verbunden. Die Revision wurde zugelassen.
Auf die Revision der Zahnärztekammer Nordrhein hat der Bundesgerichthof nunmehr in dritter Instanz die ursprünglich vom Landgericht ausgesprochene Verurteilung des beklagten Zahnarztes insoweit wiederhergestellt, als Werbungen mit der Gebietsbezeichnung „Kieferorthopädie“ ohne aufklärende Hinweise über die tatsächliche Qualifikation des Beklagten betroffen waren.
II. Aus den Entscheidungsgründen
Der Bundesgerichtshof bestätigt zunächst erneut, dass die Zahnärztekammer Nordrhein nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG befugt ist, als berufsständische Vertretung der Zahnärzte in ihrem Bezirk von ihren Mitgliedern begangene Wettbewerbsverstöße zu verfolgen (dazu grundlegend BGH, Urteil vom 06.04.2006 - I ZR 272/03 - Zahnarztbriefbogen).
In der Sache bejaht der Bundesgerichtshof den Unterlassungsanspruch der Zahnärztekammer Nordrhein nach § 8 Absatz 1 UWG wegen irreführender Angaben hinsichtlich eines Teils der beanstandeten Werbungen und begründet seine Entscheidung wie folgt:
1.
Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 UWG handelt unlauter, wer eine irreführende geschäftliche Handlung vornimmt, die geeignet ist, den Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte. Eine geschäftliche Handlung ist gemäß § 5 Abs. 1 Satz 2 UWG irreführend, wenn sie unwahre Angaben oder sonstige zur Täuschung geeignete Angaben über - nachfolgend aufgezählte - Umstände enthält; hierzu rechnen gemäß Nr. 3 auch solche über die Person, Eigenschaften oder Rechte des Unternehmers. Eine Irreführung liegt vor, wenn das Verständnis, das eine Angabe bei den Verkehrskreisen erweckt, an die sie sich richtet, mit den tatsächlichen Verhältnissen nicht übereinstimmt. Für die Feststellung dieses Verkehrsverständnisses ist auf die Sicht eines durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Verbrauchers als eines (potentiellen) Patienten einer Zahnarztpraxis abzustellen.
2.
Auf dieser Grundlage kommt der Bundesgerichtshof in Abweichung zu dem Oberlandesgericht Düsseldorf als Berufungsgericht zu dem Ergebnis, dass durch die beanstandete Werbung der unzutreffende Eindruck erweckt wird, dass der Beklagte ein Fachzahnarzt für Kieferorthopädie sei.
Der Bundesgerichthof führt hierzu aus:
„Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts geht ein erheblicher Teil der Verbraucherinnen und Verbraucher davon aus, nur ein Fachzahnarzt für Kieferorthopädie dürfe kieferorthopädische Leistungen erbringen, und entnimmt den streitgegenständlichen Angaben daher die implizite Aussage, der Beklagte sei ein solcher Fachzahnarzt.
…
Dem Durchschnittsverbraucher sind Facharzt- und Fachzahnarztbezeichnungen zwar nicht fremd; er kennt dementsprechend auch den Begriff "Fachzahnarzt für Kieferorthopädie" und noch mehr die gebräuchlichere Abkürzung "Kieferorthopäde". Darunter stellt er sich einen Zahnarzt vor, der eine von der zuständigen Berufsaufsicht anerkannte Weiterbildung im Fachgebiet der Kieferorthopädie mit bestandener Prüfung absolviert hat. Vertiefte Gedanken zur Dauer und zum Inhalt einer solchen Weiterbildung macht sich der Durchschnittsverbraucher hingegen nicht. Er weiß auch nicht, dass das für Ärzte grundsätzlich bestehende Verbot, außerhalb ihres Fachgebiets tätig zu werden, für Zahnärzte nicht gilt (vgl. §§ 33, 41 Abs. 1, § 51 Abs. 1 HeilBerG NW), und kieferorthopädische Leistungen daher auch durch approbierte Zahnärzte erbracht werden dürfen, die nicht dazu berechtigt sind, die Bezeichnung "Fachzahnarzt für Kieferorthopädie" oder "Kieferorthopäde" zu führen.
Die entgegenstehende Beurteilung des Berufungsgerichts steht mit der Lebenserfahrung nicht im Einklang. Im Gegenteil geht ein erheblicher Teil der Verbraucherinnen und Verbraucher mangels Kenntnis der Besonderheiten des zahnärztlichen Berufsrechts davon aus, nur ein "Fachzahnarzt für Kieferorthopädie" oder "Kieferorthopäde" dürfe kieferorthopädische Leistungen erbringen. Deshalb wird dieser Teil der angesprochenen Verkehrskreise aufgrund der streitgegenständlichen Angaben des Beklagten zu der Vorstellung gelangen, der Beklagte habe eine von der zuständigen Berufsaufsicht anerkannte Weiterbildung im Fachgebiet Kieferorthopädie mit bestandener Prüfung absolviert.“
3.
Weiterhin stuft der Bundesgerichtshof die vom Beklagten verwendeten Angaben „Kieferorthopädie“ und „(Zahnarzt-)Praxis für Kieferorthopädie“ als objektiv zutreffend ein, da der beklagte Zahnarzt unstreitig fortlaufend kieferorthopädische Leistungen erbringt. Eine zutreffende Angabe kann auch irreführend sein, wenn sie gleichwohl zu einer Fehlvorstellung führt. Es bedarf dann einer höheren Irreführungsquote als bei einer Täuschung mit einer objektiv unrichtigen Angabe sowie einer Interessenabwägung.
Vorliegend sieht der Bundesgerichtshof die erforderliche höhere Irreführungsquote auch mit Blick auf die bei einer Gesundheitswerbung geltenden strengeren Maßstäbe als gegeben an.
Im Rahmen der Interessensabwägung sieht der Bundesgerichtshof jedenfalls bezüglich der Person des Beklagten keine Gefahr, dass Zahnärzte bei Freigabe des Begriffs „Kieferorthopädie“ künftig vermehrt mit einer lediglich auf Selbsteinschätzung beruhenden Expertise würben. Als „Master of Science Kieferorthopädie (MSc)“ verfügt der Beklagte über einen akademischen Abschluss, der nicht nur auf Selbsteinschätzung beruht und den er in Deutschland führen darf.
Auch kann der Beklagte nicht darauf verwiesen werden, die Bezeichnung „Kieferorthopädie“ ausschließlich als Tätigkeitsschwerpunkt gemäß § 13 Abs. 5 der Berufsordnung zu führen. Hierzu führt der Bundesgerichthof aus:
„Einem Zahnarzt muss es grundsätzlich möglich sein, für die Erbringung von kieferorthopädischen Leistungen zu werben, die ihm auch dann erlaubt ist, wenn er kein Fachzahnarzt für Kieferorthopädie ist und die Voraussetzungen für den Ausweis eines diesbezüglichen Tätigkeitsschwerpunkts nicht erfüllt. Ein generelles Verbot solcher Werbung durch "einfache" approbierte Zahnärzte stellte einen unverhältnismäßigen und daher nicht zu rechtfertigenden Eingriff in die nach Art. 12 Abs. 1 GG gewährleistete Berufsausübungsfreiheit dar …. Daher kann auch einem Zahnarzt, der - wie der Beklagte - personenbezogen einen Tätigkeitsschwerpunkt Kieferorthopädie ausweisen darf, die von der Voranstellung des Worts "Tätigkeitsschwerpunkt" losgelöste Verwendung des Begriffs "Kieferorthopädie" für die werbende Beschreibung seiner Tätigkeit nicht generell untersagt werden.“
Schließlich lässt der Bundesgerichtshof aber den Einwand der Zahnärztekammer Nordrhein als Klägerin durchgreifen, es bestehe eine Gefahr einer Verwässerung der Bezeichnung „Fachzahnarzt“ und der damit verbundenen Qualitätserwartungen. Der Bundesgerichtshof betont die besondere Bedeutung der fachzahnärztlichen Weiterbildung wie folgt:
„Die Weiterbildung zum Fachzahnarzt dient der Sicherstellung einer hohen Qualität der zahnmedizinischen Versorgung der Bevölkerung und damit einem besonders wichtigen Gemeinschaftsgut (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 16. September 2014 - 13 A 636/12, juris Rn. 65 f; § 1 Abs. 1 Satz 1 Weiterbildungsordnung). Die Fachzahnarztbezeichnungen stellen zugleich eine Orientierungshilfe für die an einer Behandlung interessierten Patienten bei der Auswahl eines geeigneten Zahnarztes dar. Wie ausgeführt (Rn. 28) verfügt der Durchschnittsverbraucher über eine - nicht im Einzelnen konkretisierte - Vorstellung, ein Fachzahnarzt erfülle einen von der zuständigen Berufsaufsicht kontrollierten Qualitätsstandard. Vor diesem Hintergrund wird die Erreichung der genannten Zwecke gefährdet, wenn der Durchschnittsverbraucher irrtümlich annimmt, ein mit "Kieferorthopädie" werbender Zahnarzt sei Fachzahnarzt für Kieferorthopädie.“
Vor diesem Hintergrund verlangt der Bundesgerichtshof, dass der werbende Zahnarzt den Fehlvorstellungen durch aufklärende Hinweise begegnen muss.
„Ein Zahnarzt, der in seiner Werbung den Begriff "Kieferorthopädie" verwendet, ohne Fachzahnarzt für Kieferorthopädie zu sein, ist daher gehalten, der aufgrund der Verwendung des Begriffs zu erwartenden Fehlvorstellung der angesprochenen Verkehrskreise, er sei Fachzahnarzt für Kieferorthopädie, durch zumutbare Aufklärung entgegenzuwirken. Dies stellt eine verhältnismäßige Beschränkung seiner Berufsausübungsfreiheit zum Schutz der auch im öffentlichen Interesse liegenden Fachzahnarztbezeichnung dar. Welche Maßnahmen der Aufklärung zu fordern sind, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls. Soweit - wie im Streitfall - Angaben im Internetauftritt eines Zahnarztes betroffen sind, kommt insbesondere ein deutlicher Hinweis auf die Art der von ihm erworbenen Zusatzqualifikation und den Umfang seiner praktischen Erfahrung in Betracht. Auch der Ausweis eines Tätigkeitsschwerpunkts kann insoweit der Abgrenzung zu einer Fachzahnarztbezeichnung dienen.“
4.
Vor diesem Hintergrund hält der Bundesgerichtshof die Verwendung der Bezeichnung „Kieferorthopädie in der -Straße“ im Menü auf der Startseite des Internetauftritts für unzulässig. Das Menü eines Internetauftritts diene der Orientierung der Leserinnen und Leser, so dass ihm eine zentrale Bedeutung für das Verständnis der streitgegenständlichen Angaben zukomme. Trotz der aus Platzgründen beschränkten gestalterischen Möglichkeiten sei dem Beklagten daher zuzumuten, einen aufklärenden Hinweis zu verwenden oder auf andere Begriffe auszuweichen.
Auch die beanstandete Werbung auf der Unterseite des Internetauftritts mit den Angaben „Kieferorthopädie in der -Straße“, „Zahnarztpraxis für Kieferorthopädie“, „Kieferorthopädie der …zahnärzte“ und „Kieferorthopädie der ……zahnärzte“ ist irreführend und unlauter. Die in diesem Zusammenhang stehende Bezeichnung der Person des Beklagten „… M.Sc.“ reiche für einen aufklärenden Hinweis nicht aus, weil aus ihr nicht hervorgeht, dass es sich um einen Master of Science Kieferorthopädie handelt.
Davon abweichend sieht es der Bundesgerichtshof bei der Angabe „Praxis für Kieferorthopädie“ auf einer weiteren Unterseite als ausreichend an, dass der Beklagte dort seiner Person die Angabe „Master of Science Kieferorthopädie“ hinzugefügt hatte. Damit habe er die von der Internetseite angesprochenen Verkehrskreise hinreichend über seine Qualifikation aufgeklärt. Eine etwaige Fehlvorstellung über die Gleichwertigkeit dieses Abschlusses mit einer Fachzahnarztqualifikation wäre auf eine gewisse Vielfalt und Unübersichtlichkeit der Spezialisierungen im Gesundheitswesen zurückzuführen; insoweit könne erwartet werden, dass die angesprochenen Verkehrskreise sich über die Bedeutung der in Rede stehenden Bezeichnungen informieren (vgl. BGH, Urteil vom 18.03.2010 - I ZR 172/08 - Master of Science Kieferorthopädie).
III. Fazit
Die ausführlich begründete Entscheidung des Bundesgerichtshofs ist zwar in erster Linie eine Einzelfallentscheidung unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des zugrundeliegenden Sachverhaltes, insbesondere der Qualifikation und Tätigkeit des beklagten Zahnarztes. Dennoch werden sich einige grundlegende Erwägungen auch auf andere, vergleichbare Sachverhalte übertragen lassen, so dass das vorliegende Urteil zu mehr Rechtsklarheit in der Berufsaufsicht für alle Beteiligten führt.
So hat der Bundesgerichtshof eindeutig klargestellt, dass mit der Werbung für das Fachgebiet der Kieferorthopädie durch einen Zahnarzt, der nicht Fachzahnarzt für Kieferorthopädie ist, eine Irreführungsgefahr einhergeht. Weiterhin kann einem Zahnarzt, der kraft seiner Approbation zur Erbringung kieferorthopädischer Leistungen berechtigt ist, aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht verwehrt werden, seinerseits auf sein kieferorthopädisches Leistungsangebot hinzuweisen. Ihm ist jedoch auch in verfassungsrechtlicher Hinsicht zuzumuten, den entstehenden Fehlvorstellungen durch aufklärende Hinweise entgegenzuwirken, damit keine Verwässerung der Fachzahnarztbezeichnung eintritt. Die fachzahnärztliche Weiterbildung als hohes Gemeinschaftsgut wird somit auch im wettbewerbsrechtlichen Kontext umfassend gewürdigt.
Das vorliegende Urteil des Bundesgerichtshofs reiht sich konsequent ein in die Entscheidungen des Senats zur Zulässigkeit des Führens des von einer österreichischen Universität verliehenen Grades „Master of Science Kieferorthopädie“ (BGH, Urteil vom 18.03.2010 - I ZR 172/08 - Master of Science Kieferorthopädie) und zur Irreführung durch den Namensbestandteil „Dr. Z“ bei einem Medizinischen Versorgungszentrum (BGH, Urteil vom 11.02.2021 - I ZR 126/19 - Dr. Z).
Die im Sinne einer einfachen und klaren Vorgabe für Werbung mit der Gebietsbezeichnung „Kieferorthopädie“ ggfs. wünschenswerte Feststellung, dass nur Fachzahnärzte für Kieferorthopädie mit der Bezeichnung überhaupt werben dürfen, hat der Bundesgerichtshof nicht getroffen. Unter Berücksichtigung der nach Art. 12 Abs. 1 GG gewährleisteten Berufsausübungsfreiheit ist die Entscheidung des Bundesgerichtshofs jedoch nachvollziehbar und auch sachgerecht. Die Irreführungsgefahr auf der einen Seite und das Recht eines jeden Zahnarztes zur sachlichen Information auf der anderen Seite sind ausgleichend ins Verhältnis gesetzt worden.
Welche aufklärenden Hinweise in anderen Fällen genügen, bleibt auch zukünftig einer Gesamtbetrachtung und Einzelfallbewertung vorbehalten. Der Hinweis muss jedenfalls deutlich sein und in einem unmittelbaren räumlichen Zusammenhang mit der Angabe stehen. Fehlender Platz im Menü auf Internetseiten oder z.B. auch am Klingel- oder Briefkastenschild ist dabei unerheblich. Für die Aufklärung selbst kommt insbesondere im Internet ein Hinweis auf die Art der erworbenen Zusatzqualifikation und den Umfang der praktischen Erfahrung in Betracht. Auch der Ausweis eines Tätigkeitsschwerpunkts kann zur Abgrenzung zu einer Fachzahnarztbezeichnung herangezogen werden. Liegt all dies nicht vor, sind sicherlich noch höheren Anforderungen an die Aufklärung zu stellen.
Nicht Gegenstand des Verfahrens waren die Bezeichnungen „Fachzahnarzt für Kieferorthopädie“ oder „Kieferorthopäde“.
Die Entscheidung ist im Volltext abrufbar unter: https://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&Datum=Aktuell&Sort=12288&nr=122065&pos=19&anz=685&Blank=1.pdf
Dr. iur. Kathrin Thumer
Justitiarin
Leiterin der Rechtsabteilung