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Gesundheitspolitik quo vadis – das steht im Koalitionsvertrag

Die Spitzen von Union und SPD haben am Mittwoch ihren Koalitionsvertrag vorgestellt, der nun durch die jeweils vorgesehenen Parteigremien ratifiziert werden muss.


Betont wurde bereits bei der gemeinsamen Pressekonferenz, dass alle Vorhaben unter Finanzierungsvorbehalt stehen. Dies zeigt sich auch im Bereich Gesundheit und Pflege durch die Festlegung auf Zielvorstellungen durch entsprechende „Soll-Formulierungen“. Dabei wurden viele Ansätze der vorbereitenden AG Gesundheit übernommen.

Entgegen zwischenzeitlichen Spekulationen ist der Koalitionsvertrag nicht kurz und knapp gehalten, sondern erstreckt sich erneut über 146 Seiten. Im Abschnitt 4 „starker Zusammenhalt, standfeste Demokratie“ sind dem Bereich Gesundheit und Pflege insgesamt acht Seiten gewidmet. „Wir wollen eine gute, bedarfsgerechte und bezahlbare medizinische und pflegerische Versorgung für die Menschen im ganzen Land sichern“, heißt es zu Beginn des Gesundheitsabschnitts.

Trotz der seitenstarken Ausführungen bleiben die Vorhaben an vielen Stellen vage, konkrete Vorschläge und Maßnahmen sollen durch Arbeitsgruppen vorgelegt werden. Wir haben die wichtigsten Punkte im Abschnitt Gesundheit und Pflege für Sie zusammengefasst und kurz eingeordnet.

 

Starkes Bekenntnis zum Bürokratieabbau im Gesundheitswesen

Im Koalitionsvertrag einigten sich Union und SPD auf einen umfassenden Bürokratieabbau im Gesundheitswesen: „Wir verringern Dokumentationspflichten und Kontrolldichten durch ein Bürokratieentlastungsgesetz im Gesundheitswesen massiv, etablieren eine Vertrauenskultur und stärken die Eigenständigkeit und Eigenverantwortlichkeit der Profession, statt sie mit Bürokratie aus Gesetzgebung und Selbstverwaltung zu lähmen. Alle Gesetze in diesem Bereich werden wir einem Praxis-Check unterziehen.“ Hierauf hatten sich die Koalitionsparteien bereits im Arbeitspapier der AG Gesundheit verständigt. Der ursprünglich ambitionierte Zeitplan, dieses Vorhaben innerhalb „der ersten sechs Monate“ umzusetzen, taucht nun im Koalitionsvertrag jedoch nicht mehr auf.

Darüber hinaus soll eine von Künstlicher Intelligenz (KI) unterstützte Behandlungs- und Pflegedokumentation ermöglicht werden. Union und SPD streben damit auf ein „konsequent vereinfachtes und digitales Berichtswesen“ an. Für niedergelassene Ärzte soll eine Bagatellgrenze von 300 Euro bei der Regressprüfung eingeführt werden. Entsprechende Regelungen sollen auch für andere Leistungserbringer gelten.

Das Ziel eines konsequenten Bürokratieabbaus wird an mehreren Stellen des Koalitionsvertrages deutlich. Die Zahnärztekammer Nordrhein wird ihre Agenda zum Bürokratieabbau in Zahnarztpraxen auch über die Bundeszahnärztekammer bei der künftigen Koalition platzieren und eine Entlastung mit größtem Nachdruck verfolgen.

 

Angekündigte Regulierungen für iMVZ

Im Koalitionsvertrag heißt es: „Wir erlassen ein Gesetz zur Regulierung investorenbetriebener Medizinischer Versorgungszentren (iMVZ-Regulierungsgesetz), das Transparenz über die Eigentümerstruktur sowie die systemgerechte Verwendung der Beitragsmittel sicherstellt.“ In dem Arbeitspapier der AG Gesundheit von Union und SPD war lediglich ein iMVZ-Regulierungsgesetz angekündigt, im Koalitionsvertrag erfolgt nun eine Präzisierung des Vorhabens. Eine bloße Transparenz über die Eigentümerstruktur sowie eine Regulierung, um ein Rosinenpicken bei Behandlungen auszuschließen, reicht an dieser Stelle jedoch nicht aus.

Die Zahnärztekammer Nordrhein wird, ebenso wie die KZBV bereits in einer ersten Presseerklärung angekündigt hat, weiterhin darauf drängen, dass investorengetragene Medizinische Versorgungszentren durch eine räumliche und fachliche iMVZ-Gründungsbeschränkung für Krankenhäuser eingeschränkt werden.

 

Fokus auf der ambulanten Versorgung

Zur zielgerichteten ambulanten Versorgung setzen die Koalitionsparteien auf ein „verbindliches Primärarztsystem bei freier Arztwahl durch Haus- und Kinderärzte“. Damit wollen die künftigen Regierungsparteien den direkten Zugang zu Fachärzten besser steuern. So soll der medizinische Bedarf zunächst durch den festgelegten Primärarzt oder die von der KV betriebene Rufnummer 116117 festgestellt werden. Ausnahmen sollen bei der Augenheilkunde und der Gynäkologie gelten. Zahnärzte werden hier nicht explizit genannt, fallen jedoch ohnehin nicht in den Geltungsbereich der Kassenärztlichen Vereinigung (KV).

Eine Neuordnung des Honorarsystems ist im Koalitionsvertrag nur für den ärztlichen Bereich angekündigt. In (drohenden) unterversorgten Gebieten soll es Zuschläge, in überversorgen Gebieten (größer 120 Prozent) Abschläge vom Honorar geben. In unterversorgten Gebieten soll zudem eine Entbudgetierung der Fachärzte geprüft werden.

Die Länderbeteiligung in den Zulassungsausschüssen will die Koalition stärken. Dabei soll die Möglichkeit geschaffen werden, dass diese die Bedarfsplanung für Zahnärztinnen und Zahnärzte selbst vornehmen.

 

Prävention spielt „wichtige Rolle“

Der Prävention wird gleich auf der zweiten Seite des Gesundheitsabschnittes ein eigener Abschnitt gewidmet. Diese spiele, so heißt es im Koalitionsvertrag, eine „wichtige Rolle“. Explizit genannt werden sodann die Weiterentwicklung des Einladewesens für U-Untersuchungen, der Umgang mit Einsamkeit sowie die Überprüfung einer Fortführung des Paktes für den Öffentlichen Gesundheitsdienst (ÖGD). Es bleibt abzuwarten, welche Maßnahmen hier durch die Koalitionsparteien konkret umgesetzt werden. Auch ohne diese im zuvor vorgelegten Arbeitspapier der AG Gesundheit zu nennen, war hier jedoch bereits ein optimistisches Einsparvolumen durch wirksame Präventionsmaßnahmen in Höhe von 1 Milliarde pro Jahr bereits ab dem Jahr 2026 vorgesehen.

Die Zahnärztekammer Nordrhein begrüßt den hohen Stellenwert der Prävention im Koalitionsvertrag und wird hier zusammen mit der KZV Nordrhein sowie insbesondere der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung (KZBV) und auch der Bundeszahnärztekammer (BZÄK) weiter auf die erzielten Präventionserfolge in der zahnärztlichen Behandlung verweisen. Ziel ist es, dass künftig wieder alle Patientinnen und Patienten uneingeschränkt von der Parodontitis-Therapie profitieren können.

 

Vage Agenda zur Stabilisierung der Beitragssätze

Mit Spannung erwartet wurden die Reformansätze zur Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung und Stabilisierung der Beitragssätze. Im Koalitionsvertrag heißt es, dass durch ein „Gesamtpaket aus strukturellen und kurzfristigen Maßnahmen“ die Finanzsituation stabilisiert und weitere Belastungen der Beitragszahlenden vermieden werden sollen.

Die AG Gesundheit hatte hier Vorschläge insbesondere durch Verschiebungen in den Bundeshaushalt und das Sondervermögen vorgesehen. So sollte bereits ab 2025 primär eine Entlastung der GKV durch vollständige Finanzierung der Beiträge für Bürgergeldempfänger aus Steuermitteln erfolgen. Hierdurch waren unmittelbar Einsparungen in Höhe von 9-10 Milliarden Euro pro Jahr vorgesehen. Eine entsprechende Planung findet sich im Koalitionsvertrag aktuell nicht. Hingegen wurde der Vorschlag, den GKV-Anteil für den Transformationsfond der Krankenhäuser (Klinikreform) aus dem Sondervermögen Infrastruktur zu entnehmen, im Koalitionsvertrag berücksichtigt. Die jährlichen Einsparungen der GKV belaufen sich dabei auf 2,5 Milliarden Euro.

Wie an so vielen Stellen setzt die künftige Koalition auch im Bereich der GKV-Finanzen auf eine Verbesserung der Einnahmesituation und ein „höheres Beschäftigungsniveau“. Ein klares Bekenntnis zur Dualität in der Krankenversicherung enthält der Koalitionsvertrag nicht. Alles Weitere soll eine „Kommission unter Beteiligung von Expertinnen und Experten und Sozialpartnern“ erarbeiten und bis zum Frühjahr 2027 konkrete Maßnahmen vorschlagen. Zur Erinnerung: Die GKV verbuchte im Jahr 2024 bereits ein Defizit von über 6 Milliarden Euro.

Nicht nur die GKV, sondern auch die Pflegeversicherung steht vor immensen Herausforderungen zur künftigen Finanzierbarkeit. Auch hier setzt die künftige Regierung auf den Einsatz einer Arbeitsgruppe. Diese Bund-Länder-Arbeitsgruppe auf Ministerebene unter Beteiligung der kommunalen Spitzenverbände soll bis Ende 2025 ihre Ergebnisse vorlegen.

 

Digitalisierung im Gesundheitswesen

Die elektronische Patientenakte soll noch 2025 stufenweise ausgerollt werden, „von einer bundesweiten Testphase zu einer verpflichtenden sanktionsbewährten Nutzung“. Als Allheilmittel zum Bürokratieabbau wird die Digitalisierung wie sonst so oft im Koalitionsvertrag nicht gesehen.

 

Fortführung der Krankenhausreform

Aufbauend auf der Krankenhausreform der letzten Legislaturperiode soll eine „qualitativ, bedarfsgerechte und praxistaugliche Krankenhauslandschaft“ entwickelt werden, heißt es im Koalitionsvertrag. Den Ländern sollen besonders im ländlichen Raum zur Sicherstellung der Grund- und Notfallversorgung Ausnahmen und erweiterte Kooperationen gewährt werden. Auch die Definition der Fachkrankenhäuser soll überarbeitet werden, um für Länder „relevante Fachkliniken“ zu erhalten.

Autorin: Anna Palm

Bild: Bundestag / Thomas Trutschel / photothek

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