Offene Worte und fachliche Diskussionen gab es auf der Bezirksstellenversammlung Düsseldorf im Januar 2025.
Dr. Harm Blazejak, Bezirksstellenvorsitzender: „Es ist ein Forum zum Kennenlernen und kollegialen Austausch, um den Zusammenschluss der freiberuflichen Einzelpraxen zu stärken.“ Er mahnte: „Nicht der Nachbarkollege ist Ihr Feind, sondern die Politik, private und gesetzliche Krankenkassen und andere Organisationen, die Ihnen das Leben in Ihrer Praxis schwer machen!“ Lebhaft und kontrovers diskutiert wurde das Thema des Absetzens von Antikoagulantien bei dentoalveolären Eingriffen. Als Hausherr und Präsident der Zahnärztekammer betonte Dr. Ralf Hausweiler noch einmal die gesundheitspolitischen Herausforderungen, die die zahnärztliche Praxis in Zukunft prägen werden. „Es ist alarmierend, dass rund 25 Prozent der Behandlungszeit für administrative Aufgaben verloren geht.“
Er verwies auf den Aktionstag „Zähne zeigen gegen Bürokratie“. Bei dieser Aktion sammelten Zahnärztinnen und Zahnärzte insgesamt 1.800 Postkarten, um ihre Forderung nach Entlastung zu unterstreichen. Die Abgabe der Postkarten kurz vor Weihnachten im Wahlkreisbüro von Minister Lauterbach kommentierte er mit den Worten: „Wo sind die geblieben?“ Und mahnte einen Politik- und Stilwechsel in Berlin an. Auch die Parteiprogramme nahm er unter die Lupe: Bürokratieabbau im Gesundheitswesen? „Die SPD schreibt doch tatsächlich, dass der Dokumentationsaufwand die Beschäftigten belastet und schlägt vor, um dies zu verringern, setzen wir auf den Ausbau von KI-gestützter Dokumentation. Außerdem treten wir für mehr Freizeitausgleich ein.“ Kopfschütteln im Saal und beim Vortragenden.
Ein weiteres Thema, das Hausweiler ansprach, war die notwendige Anpassung der Gebührenordnung für Zahnärzte (GOZ), um den gestiegenen Kosten im Praxisalltag gerecht zu werden. Zum Schluss des Vortrages ging es um einen absurden Gesetzesentwurf zum Hochschulstärkungsgesetz in Nordrhein-Westfalen. In diesem Entwurf soll Studierenden, die die zahnärztliche Prüfung (Z3) nicht bestanden haben, ein Bachelorgrad verliehen werden. „Absurd,“ so Dr. Hausweilers, der gemeinsam mit den Heilberufskammern NRW hier ein klares „Nein“ formuliert hat. „Der geschenkte Bachelor, nicht mit uns!“
Die Fachvorträge im Einzelnen:
Dr. Johanna Lilienbeck, Oberärztin Mund-, Kiefer- und Plastische Gesichtschirurgie, GFO Kliniken Mettmann Süd
Im Vortrag zur Kiefergelenkchirurgie betonte Dr. Lilienbeck die Wichtigkeit, bei der Diagnostik zwischen myogenen und arthrogenen Beschwerden zu differenzieren. Sie erläuterte, dass das Kiefergelenk selbst hohe regenerierende Eigenschaften besitzt, sodass in vielen Fällen der Anpassungsvorgang zunächst abgewartet werden kann. Entlang von Patientenfällen wurden die verschiedenen operativen Behandlungsmöglichkeiten detailliert vorgestellt. Hier nannte sie als minimalinvasiven Eingriff die arthroskopische Kiefergelenkspülung. Das weitere Spektrum der Kiefergelenkchirurgie, wie die Synovektomie zur Behandlung entzündlicher Resorptionen und die hohe Kondylektomie, die eine gute Behandlungsmöglichkeit bei fortschreitenden Arthrosen darstellt, wurde diskutiert. Sie erläuterte die Möglichkeit einer Diskopexie mittels Mitek-Anker, sofern eine Diskusverlagerung protrahiert Beschwerden verursacht. Zudem wurde die Therapie der rezidivierenden oder fixierten Luxationen beleuchtet, hier sind von Botox-Injektionen über die Eminektomie bis hin zur Zügelungsoperation nach Köle und Prolotherapie unterschiedliche Optionen möglich. Schließlich stellte Dr. Lilienbeck die größeren Operationen der Kiefergelenkchirurgie vor. Hierzu gehören die Lösung von Ankylosen und Tumor-Operationen. In sehr fortgeschrittenen Fällen kann, nach Abwägung der (Langzeit-) Risiken, zudem ein alloplastischer Kiefergelenkersatz indiziert sein.
PD Dr. med. Sven Holger Baum, M.Sc., Chefarzt der Klinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie, Plastische Operationen und Implantologie, Helios St. Josefshospital Krefeld-Uerdingen
Erneut brachte PD Dr. Dr. Baum, Chefarzt der MKG-Chirurgie im St. Josefshospital in Krefeld, ein wichtiges Thema mit: Die medikamentöse Versorgung von Patienten und die Frage: Patienten-Medikamentenzettel, worauf ist zu achten? Dr. Baum erläuterte, dass insbesondere bei Patienten, die Thrombozytenaggregationshemmer einnehmen, das Risiko für Nachblutungen als geringer einzuschätzen sei als die Risiken, die durch ein „Bridging“ entstehen könnten. Er betonte die Bedeutung einer engen Abstimmung mit dem Hausarzt oder Kardiologen vor einer möglichen Pausierung von Blutverdünnern bei größeren Eingriffen und stellte klar, dass diese Eingriffe unter laufender Blutverdünnung unter Umständen unter stationären Bedingungen durchgeführt werden sollten. Weitere medikamentöse Aspekte wie die Behandlung von Patienten, die antiresorptive Medikamente einnehmen, sowie von Patienten mit Immunmodulatoren wurden eingehend diskutiert. So wurde dargestellt, dass es immer schwieriger wird das Risiko einer medikamenten-assoziierten Osteonekrose abzuschätzen, da stetig neue Medikamente im Rahmen der Behandlung von malignen Erkrankungen entwickelt werden. Als Merkhilfe gab Dr. Baum an, auf Medikamente mit den Endungen „-dronat“, „-mab“, „-nib“ und „-rolimus“ zu achten. Des Weiteren wurden Medikamente mit Nebenwirkungen wie Xerostomie, Hypersalivation, Aphthenbildung, Entzündungen, Mykosen, Gingivahyperplasie und Zahnverfärbungen besprochen. Dr. Baum wies abschließend insbesondere auf das medikamenten-induzierte Angioödem (ACE-Hemmer, Sartane) hin, bei dem es Bradykinin-vermittelt zu lebensbedrohlichen Schwellungen kommen kann.
PD Dr. Frank Spitznagel, Leitender Oberarzt in der Poliklinik für zahnärztliche Prothetik, Universitätsklinikum Düsseldorf
Den Abschluss des Tages bildete PD Dr. Frank Spitznagel, der in seinem Vortrag drei herausragend gelöste prothetisch-chirurgisch-ästhetische Fälle präsentierte und das Behandlungskonzept mit fundierten wissenschaftlichen Daten untermauerte. Er zeigte die Anwendung einer minimalinvasiven Adhäsivbrücke, die insbesondere bei Nichtanlagen in der ästhetischen Zone zu schnellen und funktionell sehr guten Ergebnissen führt, mit hohen Überlebensraten von 98,2-100 Prozent (Kern 2017, Naenni 2020). Weiterhin stellte er einen komplexen Fall vor, bei dem der gesamte Oberkiefer mit monolithischen und teilverblendeten Zirkonoxidrestaurationen behandelt wurde, sowie einen implantat-prothetischen Fall einer Einzelzahnlücke, der komplett digital geplant und durchgeführt wurde – von der Planung über die geführte Implantatinsertion bis hin zur digitalen Abformung und Krone. Dr. Spitznagel verdeutlichte, wie die Kommunikation zwischen Zahnärzten, Zahntechnikern und Patienten durch die modernen digitalen Tools erleichtert wird. Dabei betonte er, dass nicht jede Keramik, insbesondere Zirkonoxid, gleich ist. Die verwirrenden Bezeichnungen von „transluzentem“ Zirkonoxid erschweren oft die Differenzierung zwischen den verschiedenen Generationen des Materials sowie deren Biegefestigkeit und Indikationen. Er berichtete auch von einer kürzlich in Madrid stattgefundenen Konsensuskonferenz zum Thema „Minimalinvasive Restaurationen“, bei der das Düsseldorfer Team um Prof. Dr. Petra Gierthmühlen und Dr. Spitznagel ein Review zu keramischen Veneers vorstellte und Überlebensraten von bis zu 96,05 Prozent nach zehn Jahren dokumentierte (Klein et al. 2024).